Kuehles Grab
her. Und ich, die ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, sah den verblüfften Chauffeur an, zuckte bedauernd mit den Schultern und folgte den beiden.
Wir mussten zwanzig Minuten auf ein Taxi warten. Genug Zeit, dass sich der Schweiß in meinen Achselhöhlen sammelte und mir Rinnsale über den Rücken liefen. Und genüg Zeit, um daran zu denken, dass wir, meine Eltern und ich, es nur neun Monate in Phoenix ausgehalten hatten, ehe wir in ein kühleres Klima flohen.
Sobald wir im Taxi saßen, nannte D. D. eine Adresse in Scottsdale. Allmählich konnte ich einige Puzzleteile zusammensetzen. Catherine Gagnon hatte früher in Back Bay gewohnt, sie lebte jetzt in Scottsdale und schien Spaß daran zu haben, ihre Limousine mit Chauffeur loszuschicken, um Leute vom Flughafen abholen zu lassen. Catherine Gagnon war eine reiche Frau.
Alle wollten, dass ich diese Frau kennenlernte, keiner verriet mir jedoch den Grund dafür. Ich hatte ihnen bereits gesagt, dass mir eine Catherine Gagnon gänzlich unbekannt war. Dennoch war die Stadt Boston bereit, die Kosten für den Hin- und Rückflug und eine Übernachtung in Phoenix für zwei Detectives und eine Zivilistin zu übernehmen. Was wussten Bobby und D. D., was ich nicht wusste?
Ich drückte die Stirn gegen das warme Seitenfenster. Ein Glas Wasser wäre jetzt wunderbar. Als ich nach einer Weile wieder aufsah, musterte mich Bobby mit unergründlichem Gesichtsausdruck. Ich wandte mich ab.
Das Taxi schlängelte sich durch violette Hügel. Wir kamen an weit aufragenden Saguaros, silbernen Kreosotbüschen und Kakteen vorbei. Ich weiß noch, wie fasziniert meine Mutter und ich waren, als wir hierherzogen. Aber wir konnten uns nie wirklich eingewöhnen. Die Landschaft blieb uns fremd. Wir waren an schneebedeckte Berge, grüne Wälder und graue Felsen gewöhnt.
Wir gelangten zu einer langen weiß getünchten Mauer und einem schwarzen, schmiedeisernen Tor. Das Taxi bremste ab und blieb neben der Sprechanlage am Tor stehen.
»Sagen Sie, Sergeant D. D. Warren ist hier«, wies D. D. den Fahrer an.
Er gehorchte, und das kunstvoll verzierte Tor schwang auf. Wir rollten in ein grünes Wunderland. Ich sah eine riesige gepflegte Rasenfläche, gesäumt von Bäumen mit großen Blättern. Wir folgten der gewundenen Einfahrt zu einem Rondell mit einem Springbrunnen inmitten eines Blumenteppichs und hielten vor einem riesigen Haus in spanischem Baustil.
Zur Linken: von dunklen Mahagonibalken umrahmt, in Lehmmauern eingelassene hohe Fenster. Zur Rechten: ein verglastes Atrium und ein Pool.
»Heilige Mutter Gottes«, hauchte ich beeindruckt.
Bobby lächelte mich an, und D. D. betrachtete das Haus und den Park mit verkniffener Miene.
Sie bezahlte den Fahrer und verlangte eine Quittung. Wir stiegen aus und stapften die Stufen zu einer massiven Tür hinauf. Bobby betätigte den Türklopfer, D. D. und ich standen hinter ihm und klammerten uns an unser Gepäck.
»Was meinen Sie, was es kostet, diese Rasenfläche zu bewässern?«, plapperte ich unsicher. »Ich wette, ihre Gärtner bekommen monatlich mehr Geld, als ich Miete zahle. Hat sie noch einmal geheiratet?«
Der rechte Flügel der Tür öffnete sich. Eine matronenhafte Mexikanerin mit stahlgrauem Haar und geschmacklosem Hausfrauenkittel erschien.
»Sergeant Warren, Detective Dodge, Señorita Nelson? Bitte, treten Sie ein. Señora Gagnon empfängt Sie in der Bibliothek.«
Sie fragte, ob wir uns nach der langen Reise frisch machen wollten. Wir alle funktionierten wie auf Autopilot, übergaben ihr unsere Taschen und beteuerten, dass es uns gut ginge, dann folgten wir ihr durch das Foyer mit einer gewölbten Decke.
Wir gingen durch einen breiten, weiß gestrichenen Korridor, in dessen Wände in gewissen Abständen mexikanische Kacheln eingelassen waren. Dunkle Balken stützten die dreieinhalb Meter hohe Decke. Der Boden bestand aus dicken Dielen.
Wir passierten das Atrium, den Pool, eine edle Antiquitätensammlung. Für Catherine Gagnon war Geld offenbar kein Thema.
Gerade als ich mich fragte, wie lang ein Korridor sein konnte, bog die Haushälterin nach links ab und blieb vor einer schweren Holztür stehen. Die Bibliothek, vermutete ich.
Die Haushälterin klopfte an.
»Herein«, antwortete eine gedämpfte Stimme.
Die Haushälterin öffnete die Tür, und ich erhaschte den ersten Blick auf Catherine Gagnon.
19
Catherine stand vor einem großen, sonnendurchfluteten Fenster. Vor dem hellen Hintergrund war ihr Gesicht nicht zu erkennen,
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