Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
Wasserstoff-Blondine, der Martin anlässlich
meines Geburtstags einige Drinks spendiert hatte. Saskia. Vom Fernsehen.
»Aber keinesfalls. Warum bist du nicht mal wieder hergekommen? Oder hast mich zu Hause besucht? Wo du mich doch extra nach
der Adresse gefragt hast?« Sie zwinkerte Martin anzüglich zu.
Martin wurde rot. Birgit betrachtete die Tussi mit einer Mischung aus Interesse und Erstaunen.
»Wirklich, Sie müssen mich …«
»Hör mal, das war letzte Woche Dienstag, und ich war weder besoffen noch bekifft oder sonst was. Ich kann mich genau an deine
Klamotten erinnern. Das Hemd war wie das hier, nur in Hellblau.«
Martin trug eins seiner Lieblingshemden: ein kurzärmeliges Hemd in rotweißem Küchenhandtuchkaro.
Jetzt guckte Birgit interessiert.
»Also, ich muss jetzt leider gehen«, sagte Martin, nahm die Hand der Blondine von seinem Oberarm und zog Birgit mit sich.
»Letzten Dienstag? Das hellblau karierte Hemd? Das war doch die Nacht, wo du plötzlich wegmusstest und am nächsten Tag so
nach Kneipe gerochen hast«, sagte Birgit nachdenklich. »Wart ihr doch noch einen trinken?«
»Hm«, brummte Martin.
»Jetzt ist die Gelegenheit«, rief ich. »Erzähl ihr von mir. Es war mein Geburtstag, Mann, dafür hat sie bestimmtVerständnis, dass du den Geburtstag mit deinem engsten Freund …«
»NEIN«, brummte Martin. Hörbar.
»Was, nein?«, fragte Birgit. Sie wirkte verwirrt, vielleicht nicht mehr ganz so fröhlich wie gerade eben, aber immer noch
nicht sauer. Eine echt ungewöhnliche Tussi.
»Nein heißt, er glaubt, dass er dich bis an sein Lebensende belügen kann«, rief ich. Leider konnte Birgit mich natürlich nicht
hören. »Er glaubt, er kann mit dir zusammenleben, dich heiraten, kleine Bonsai-Birgits machen, gemeinsam mit dir so alt werden,
wie er im Hirn schon lange ist, und dich dabei die ganze Zeit lang belügen.«
Martin begann zu zittern, obwohl es immer noch brüllend heiß war.
»Ist dir nicht gut?«, fragte Birgit besorgt.
»Alles in Ordnung«, presste Martin hervor. Sie waren bei Birgits coolem Cabrio angelangt. »Dann lass uns mal schauen, ob wir
eine schöne Wohnung für uns finden.«
Sein Lächeln misslang kläglich, aber Birgit drückte ihm trotzdem einen Kuss auf die Wange. »Ich freue mich so, dass wir bald
zusammenziehen.«
Ich musste die beiden allein gehen lassen, denn es war schon halb acht, und das hieß, dass Viktor bald seinen Dienst antrat.
Und mit ihm hoffentlich Irina. Ich wollte auf gar keinen Fall auch nur eine Sekunde verpassen und düste zum Sektionstrakt.
Irina kam erst um neun. Über eine endlose Stunde lang schimmelte ich mit Viktor herum und beobachtete ihn beim Sticken. Er
hatte ein großes, weißes Tuch, das ebenso gut ein Bettlaken wie eine Tischdecke sein konnte, und weißes Garn, mit dem er weiße
Muster stickte. Dann schnitt er Löcher aus dem Tuch, das er vorher bestickt hatte. Er legte das Tuch auf seine dunkle Hose
und überzeugtesich, dass der dunkle Stoff durch die umstickten Löcher zu sehen war, und zwar in Form von Blumen. Ich war fassungslos.
Als Irina kam, legte er sein Stickzeug weg und strahlte sie glücklich an. Ich glaube, wir waren beide erleichtert. Ich, weil
ich einen erwachsenen Mann nicht weiter dabei beobachten musste, wie er mit weißem Garn auf weißem Tuch weiße Blümchen stickte,
und Viktor auch deshalb, weil Irina ihm seinen Tee in der Thermoskanne brachte.
»Wie war dein Tag, mein Augenstern?«, fragte Viktor, als Irina ihn auf die Stirn küsste.
»Gut, Dedulja.« (Ich hatte geschrieben, was ich gehört hatte, nämlich »Djeduulja«, aber die Lektorin hat einen Russischübersetzer
aufgetrieben, der ihr die korrekte Schreibweise des Kosenamens für Großväterchen erklärte.) »Ich durfte bei einer sehr interessanten
Operation assistieren und war nachmittags in der Praxis. Dort gibt es wirklich erschütternde Fälle.«
»Das freut mich, Irotschka.« (Wieder der Übersetzer, der die Koseform von Irina zu Papier brachte.) »Ich bin säääääähr stolz
auf dich.«
Ich sollte noch feststellen, dass das der von Viktor am häufigsten gebrauchte Satz war. Noch vor: »Viktor, bitte.«
Irina erzählte ein paar Anekdoten aus der Uniklinik, in der sie eine Ausbildung zur Ärztin machte. Nach dem Studium. Dann
musste sie älter sein, als ich gedacht hatte. So ganz schlau wurde ich aus dem Gespräch nicht, denn sie erklärte natürlich
die Zusammenhänge nicht, die ihr
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