Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
hatte. Er überprüftedie Nummer, die auf dem Zettel am Zeh der Leiche hing, und suchte dann offenbar diese Nummer auf seiner Liste. Sein Stift
wanderte langsam die Zeilen entlang nach unten, dann wieder nach oben.
»Und?«, fragte Katrin.
»Steht nicht auf der aktuellen Bestandsliste. Komisch.«
»Und die Leiche, die wir suchen, liegt nicht in dem angegebenen Kühlfach.«
»Was schließen wir daraus?«, fragte Martin verzagt.
»Dass es eine Verwechslung gegeben hat und die falsche Leiche abgeholt wurde«, murmelte Katrin. Sie war blass und lehnte sich
mit verschränkten Armen an die Wand. »Mein Gott, so was darf nicht passieren. Nie. Auch nicht bei fünfzig Grad im Schatten.«
»Lass uns noch mal alle Kühlfächer absuchen«, schlug Martin vor.
Katrin seufzte zwar, nickte aber. »Ich fange noch mal hier oben links an.«
Eine Zeit lang war nur das Aufziehen und Zuschieben der Edelstahlschubladen zu hören. Währenddessen hing ich unter der Deckenlampe
und hoffte, dass sich das Rätsel doch noch lösen ließe. Wenn man als Leiche hier herumliegt, ist diese Erfahrung schockierend
genug. Aber es ist immer noch gewissermaßen tröstlich, als Persönlichkeit wahrgenommen zu werden. Die Vorstellung, hier herumzuhängen
und mit ansehen zu müssen, wie die Idioten ihre Notizen durcheinanderwirbeln und nachher nicht mehr wissen, wer ich eigentlich
bin, schien selbst mir gruselig.
»Ha!«, rief Katrin endlich. Die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen. »Komm rüber, Martin, und schau nach, ob das unser
Mann ist.«
Beide wischten sich den Schweiß von der Stirn, als Martin endlich bestätigen konnte, dass sie ihre abgängige Leiche gefunden
hatten. Im falschen Kühlfach, aber immerhingesund und munter. Soweit man das von einer Leiche sagen konnte. Zusätzlich zu den aktenkundigen Kunden hatten sie eine Leiche
mit einem Zettel am Zeh, die nicht in den Eingangsunterlagen vermerkt war.
»Wir müssen herausfinden …«, begann Martin, aber Katrin winkte ab.
»Ich werde gar nichts herausfinden, Martin, ich habe ab morgen Urlaub.«
»Wie bitte?«, fragte Martin entsetzt. »Wer hat das denn …«
»Das Sparschwein, natürlich. Der hat ja keine Ahnung, was hier los ist, also hat er meinen Urlaubsantrag locker lächelnd unterschrieben.«
»Und du lässt uns …« Martin verkniff sich den Rest.
»Ja, ich lasse euch hier allein in der Scheiße sitzen«, entgegnete Katrin trotzig. »Ich muss hier weg, bevor ich entweder
das Sparschwein absteche oder selbst tot umfalle. Gregor findet das auch, und er hat seinen Chef ebenfalls davon überzeugt,
dass er urlaubsreif ist. Wir fliegen für zwei Wochen Last-Minute nach Schweden. Ein See, ein paar Elche und wir zwei. Keine
Leichen, kein Sparschwein und keine Verwechslungen von Bestattungskunden mit unseren Fällen. Und außerdem nur einundzwanzig
Grad – Höchsttemperatur.«
Martin ließ die Schultern resigniert hängen. »Ich verstehe dich, Katrin. Komm, lass uns die anderen beiden Obduktionen fertig
machen, und dann wünsche ich dir einen tollen Urlaub.« Er zwang sich zu einem Lächeln, das kläglich misslang. Er tat mir richtig
leid.
»Hier ist der Bericht von den Toxis wegen der Bahndamm-Leiche«, sagte Katrin. Sie stapelte auch diesen Ordner auf Martins
Schreibtisch. Auf jedem Ordner klebten mehrere gelbe Haftnotizen. Martin nahm jedes Zettelchen kurzin Augenschein, notierte schnell noch das, was Katrin ihm zusätzlich erklärte, und wurde immer blasser. Birgit hatte bereits
angerufen und gefragt, wann er denn endlich Feierabend machen würde, aber abgesehen von meinem Auftrag, später bei Irina vorbeizuschauen,
hatte er jetzt die super Ausrede mit Katrins Urlaub, die ihn zu Überstunden zwang.
Birgit vergnügte sich nun mit einer Freundin im Eiscafé.
»Die haben übrigens irgendwelche Medikamentenrückstände gefunden, sind sich aber noch nicht sicher, was es genau ist. Vielleicht
ein Beruhigungsmittel …«
»Nanu? Wie bei der verschwundenen Leiche?«, warf Martin ein.
»Wer weiß. Vielleicht ist es ganz gut, dass alle diese Fälle jetzt bei dir landen«, sagte Katrin mit einem gemeinen Lächeln.
»Mach dich nur lustig«, brummte Martin, zwinkerte ihr dann aber freundschaftlich zu. »So, und jetzt ab mit dir. Ich wünsche
dir einen supertollen Urlaub.«
Er umarmte sie, wie man einen Schneemann umarmen würde, wenn man nackt im Winter spazieren geht und zufällig einen trifft.
Also mit möglichst
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