Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
bereits tief in meinem Innern, dass ich keine
Chance hätte, sie zu finden. Das Gewimmel auf der Straße war einfach zu groß. Sie war und blieb verschwunden.
Ich war völlig durch den Wind. Wohin jetzt? Zurück zu Viktor? Zu Gregor? Martin? Ich entschied mich für Martin, denn ich brauchte
jetzt jemanden, mit dem ich überall das, was in den letzten Stunden geschehen war, reden konnte. Und ich hoffte, dass Martin nicht mehr lallte, sondern wieder
in ganzen Sätzen sprach.
Er brauchte ein bisschen Nachhilfe, bis er wieder ganz wach war, aber ich habe in den sechs Monaten meiner neuen Existenz
gelernt, mich bemerkbar zu machen. Endlich schlug er die Augen auf.
»Oh«, jammerte er und machte die Augen wieder zu.
»Augen auf, duschen, Kaffee trinken!«, befahl ich ihm.
Er zog sich das Kopfkissen über den Kopf.
»Du erstickst, wenn du das blöde Kissen nicht wegnimmst«, erklärte ich ihm. »Also, aufstehen, na los! Gregor hat Viktor verhaftet
und Irina ist verschwunden.«
Die Gedanken in Martins Hirn kamen mit Schneckengeschwindigkeit voran. Ich war hibbelig und musste mich enorm zusammenreißen,
um Martin nicht ununterbrochen anzuschreien, dass er sich beeilen solle. Aber ich beherrschte mich wirklich vorbildlich. Zumindest
drei Minuten lang.
»WIRD DAS HEUTE NOCH WAS?«, brüllte ich endlich, als mein Geduldsfaden riss.
Martin hielt sich jammernd die Schläfen.
»Noch mal zum Mitschreiben, lieber Martin: Während du selig an Saskias künstlichem Busen gepooft hast, hat Birgit dich verlassen,
Gregor dich gerettet und Viktor steht unter Verdacht, Organe von Leichen geklaut und verhökert zu haben. Und das Wichtigste
von allem: Irina ist verschwunden.«
Er wollte Näheres wissen, besonders zu Punkt eins der Liste, aber ich weigerte mich, ein weiteres Wort zu sagen, bevor er
nicht geduscht hatte. Martin stellte sich also unter die Dusche. Angezogen. Ich erklärte ihm Schritt für Schritt, was er zu
tun hätte. Hemd ausziehen. Hose ausziehen. Unterhose ausziehen. Die Socken ließ ich ihn anbehalten, damit er nicht ausrutschte.
Kernseife nehmen,den ganzen Martin einseifen, abspülen, fertig. Dusche aus. Obenrum abtrocknen. Socken ausziehen, Füße abtrocknen, Bademantel
anziehen, in die Küche gehen, Kaffeebohnen mahlen, in den Espressokocher füllen, Wasser einfüllen, Herdplatte einschalten … Ich kam mir vor wie ein Betreuer in einer Behindertenwohngruppe.
»Jetzt sag schon, was ist mit Birgit?«, fragte Martin.
Ich erklärte ihm die Sachlage.
»Ich muss sofort mit ihr reden«, flüsterte er und wählte ihre Handynummer. Nicht erreichbar. Festnetznummer. Keine Antwort.
»Ich muss sie suchen …«
Er stürmte im Bademantel zur Tür und griff nach den Schlüsseln.
»Martin, sieh mal auf deine Füße«, rief ich.
»Stimmt, ich habe gar keine Schuhe an.« Er hockte sich hin, um seine schwarzen Büroschuhe anzuziehen.
»Und dazwischen?«, fragte ich. »Zwischen Augen und Füßen? Was siehst du da?«
Er betrachtete den Stoff des Bademantels mit einer Aufmerksamkeit, als wolle er jede Frotteeschlinge einzeln zählen.
»Lass Birgit sich erst mal einkriegen und ruf Gregor an«, schlug ich vor. »Er hat offenbar irgendetwas herausgefunden, das
ihn auf Viktors Spur gesetzt hat. Er muss sich täuschen.«
Martin stand in seinem flauschigen Bademantel und mit einem Schuh in der Diele und regte sich nicht. Die Schultern hingen,
die nassen Haare klebten ihm wirr am Kopf, der Schlüsselbund baumelte von seinem Zeigefinger.
»Ruf Gregor an«, sagte ich klar und deutlich.
Martin tat es.
»Ach, du lebst wieder?«, fragte Gregor mit einem Grinsen in der Stimme. »Ich sitze mit Katrin in der Eisdiele. Kommst du?«
»Ja«, sagte ich.
»Ja«, plapperte Martin folgsam nach.
»Leg auf«, sagte ich.
»Leg auf«, sagte Martin.
»Okay, bis gleich«, sagte Gregor und legte auf.
»Eis? Eiskaffee? Kaffee?«, fragte Katrin, als Martin endlich an ihrem Tisch stand.
Martin zuckte die Schultern und setzte sich. Katrin bestellte ihm einen Eiskaffee.
»Also, wieso Viktor?«, fragte ich.
Martin wiederholte.
Gregor grinste. »Du bist ein bisschen einsilbig geworden, mein Lieber.«
Martin horchte fragend in meine Richtung, als ob ich ihm auch darauf die Antwort vorsagen sollte. Konnte er haben. »Eastwood
ist auch kein Schwätzer.«
»Eastwood fällt nicht nach einem Kindercocktail vom Stuhl.«
»Das war kein Kindercocktail«, antwortete Martin ohne mein Zutun. »Also: Wieso
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