Kühlfach zu vermieten - Profijt, J: Kühlfach zu vermieten
geschändet?«
»Ja.«
»Haben Sie Leichen im Rechtsmedizinischen Institut die Augäpfel entfernt und entwendet?«
»Nein.«
»Haben Sie Leichen oder Teile von Leichen verkauft?«
»Nein.«
Gregor drückte die Stopptaste des Diktiergerätes.
»Das geht schon seit Stunden so«, stöhnte er.
Martin stand ihm an seinem Schreibtisch gegenüber, hatte Kaffee und Wasser abgelehnt und kaute auf der Unterlippe herum.
»Er gesteht alles, was mit den Leichenschändungen zu tun hat«, fuhr Gregor fort. »Ist übrigens einschlägig bekannt und verknackt.
Seine Nekrophilie wurde allerdings als psychische Erkrankung anerkannt, und statt im Knast hat er einige Monate in einer psychiatrischen
Einrichtung verbracht. Er stammt aus Süddeutschland, lebt neuerdings erst in Köln, seit er vor zwei Monaten aus der Therapie
kam. Er hat dazugelernt, trägt jetzt immer Handschuhe, deshalb haben wir nie Fingerabdrücke an den Leichen gefunden. Er hat
als Aushilfe bei dem Bestatter angeheuert. Cleverer Schachzug. Näher kommt man Leichen sonst nicht. Außer als Rechtsmediziner.«
Gregor grinste Martin provozierend an.
Martin blieb ernst. »Glaubst du ihm?«
»Keine Ahnung.«
Sie schwiegen sich an, bis Martin plötzlich aus seiner Starre erwachte. »Ob es nun dieser Kerl hier war oder Viktor – in jedem
Fall muss es einen Mann im Hintergrund geben.«
»Wie meinst du das?«, fragte Gregor.
»Viktor mag sich auf die manuelle Seite des Organdiebstahls verstehen, aber ich glaube nicht, dass er die Sache allein durchzieht.
Organhandel ist ein internationales Geschäft. Man muss Kontakte haben, wissen, an wen man verkauft und zu welchem Preis. Das
traue ich Viktor nicht zu.«
»Du meinst, es gibt einen planenden Kopf?«
Martin nickte.
Sie schwiegen wieder, bis Gregor endlich aufstand und sich streckte. »Jenny hat die Befragung unseres Leichenschänders übernommen,
ich rede gleich mit Viktor, wenn er kommt. Das wäre doch gelacht, wenn wir den Kerl nicht bald überführen könnten.«
Gregor begleitete Martin zur Tür, verabschiedete ihn und fragte am Empfang nach, ob Herr Kwasterow eingetroffen sei. Er hinterließ
die Bitte, ihn sofort zu rufen, sobald Viktor käme, oder eine dringende Suchmeldung herauszugeben, wenn er sich bis elf Uhr
nicht gemeldet hätte. Dann ging er zurück in sein Büro, legte den Kopf auf die Hände und war innhalb von Sekunden eingeschlafen.
»Was wirst du jetzt tun?«, fragte ich Martin.
Er zuckte die Schultern.
»Hast du schon mit Birgit gesprochen?«
Kopfschütteln.
»Warum nicht?«
Schulterzucken.
In seinem Hirn war nichts zu lesen. Genauer gesagt: Es war leer. Komplett. Ausgeräumt wie eine Hehlerbude nach einer Razzia.
Langsam machte ich mir Sorgen.
»Ruf sie an und entschuldige dich«, sagte ich.
»Und dann?«, fragte Martin zurück. Sein Tonfall war plötzlich aggressiv. »Was soll ich ihr sagen? Dass ich sie zwar liebe,
aber nicht mit ihr zusammenleben will?«
»Warum solltest du nicht mit ihr zusammenleben?«, fragte ich.
»Ich kann mit keiner Frau zusammenleben, solange du bei mir bist.«
»Aber ich …«
»Nein, Pascha, das ist eine Tatsache. Ich kann keiner Frau ein Zusammenleben mit dir unter einem Dach zumuten.«
Das saß. Jetzt war ich mal wieder schuld. Ich zerstörte Martins Glück mit Birgit. Und selbst wenn es jemals eine andere Frau
in seinem Herzen gäbe, würde ich auch dieses Glück zerstören. Auf immer und ewig würde ich JEDES Glück zerstören. Es sei denn,
ich verschwand.
Ich war sauer, logo, aber dann sickerte die grausame Wahrheit langsam in mein Gehirn. Ich war schuld an allem, was in Martins
Leben in den letzten sechs Monaten schiefgelaufen war. Wegen mir war er von seinen Kollegen für verrückt gehalten worden,
wegen mir war er fast gestorben, wegen mir hatte er seinen Job verloren und jetzt auch noch seine große Liebe. Alles wegen
mir. Ich fasste einen Entschluss. Den schrecklichsten, schwierigsten, schwerwiegendsten Entschluss meines Lebens.
»Okay, ich verschwinde«, sagte ich. Selbst für meine Ohren klang meine Stimme gepresst. »Leb wohl, Martin.«
Einen Moment blieb ich noch bei ihm, sah zu, wie er plötzlich stocksteif dastand, in meine Richtung lauschte, aber ich schaltete
ab und war für ihn nicht mehr zu spüren. Dann flog ich langsam höher, ließ Martin mit den hängenden Schultern und dem suchenden
Blick allein auf der Straße stehen und wünschte ihm heimlich alles Gute. Mir war so schwer
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