Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)
Vorposten der Goldsucher, das künftige Brennstofflager der Region. Um den kleinen Stollen herum, wo man, auf dem Gleis stehend, mit der Hand ans Dach, an die Decke des sparsam, tajgamäßig, wie die Leitung das nannte, in Handarbeit – von Hacke und Schaufel, wie alle damaligen Tausendwerst-Trassen der Kolyma – geschlagenen Stollens langen konnte. Diese Straßen und die Gruben der ersten Jahre waren in Handarbeit entstanden, und an Apparaten nutzte man nur die »Maschinen des OSO: zwei Griffe und ein Rad«.
Häftlingsarbeit ist billig.
Die geologischen Suchtrupps begeisterten sich noch am Gold von Susuman, dem Gold von Werchnij At-Urjach.
Aber – und Kriwoschej wusste das genau – die geologischen Marschstrecken werden die Gegend von Arkagala erreichen und sich weiter Richtung Jakutsk bewegen. Nach den Geologen kommen die Zimmerleute, die Bergleute, die Wache …
Er musste sich beeilen.
Es vergingen ein paar Monate, und zu Pawel Michajlowitsch kam aus Charkow seine Frau. Sie war nicht zu Besuch gekommen, nein, sie hatte die Großtat der Dekabristenfrauen wiederholt und war ihrem Mann gefolgt. Kriwoschejs Frau war nicht die erste und nicht die letzte »russische Heldin« – den Namen der Geologin Faina Rabinowitsch kennt man an der Kolyma gut. Doch Faina Rabinowitsch ist eine herausragende Geologin. Ihr Schicksal ist eine Ausnahme.
Frauen, die ihrem Mann nachreisten, verurteilten sich zur Kälte, zu den anhaltenden Qualen der Wanderschaft durch die Stationen ihres Mannes, der ständig verlegt wurde, und dann mussten die Frauen den mühsam gefundenen Arbeitsplatz aufgeben und in Gegenden fahren, in die zu fahren für Frauen gefährlich war, wo ihnen Vergewaltigung, Beraubung und Verhöhnung drohten … Aber auch ohne Ortswechsel erwartete jede diese Dulderinnen die groben Umwerbungen und die Zudringlichkeiten der Leitung, von der höchsten und bis hinunter zu irgendeinem Begleitposten, der am Leben an der Kolyma schon Geschmack gefunden hat. Der Vorschlag, eine betrunkene Junggesellengesellschaft zu teilen, war das Los ausnahmslos aller Frauen, und wenn man dem weiblichen Häftling einfach befahl: »Zieh dich aus und leg dich hin!« – ohne alle Puschkins und Shakespeares – und sie mit Syphilis ansteckte, so war der Umgang mit den Ehefrauen von Häftlingen noch ungezwungener. Denn bei Vergewaltigung einer Gefangenen musste man immer mit einer Denunziation des eigenen Freundes oder Rivalen, eines Untergebenen oder Chefs rechnen, aber für »Liebe« mit einer Häftlingsfrau als juristisch unabhängiger Person ließ sich kein Artikel finden.
Das Wichtigste aber – die ganze Reise über dreizehntausend Werst erwies sich überhaupt als sinnlos, man gewährte der armen Frau keinerlei Treffen mit ihrem Mann, und das Versprechen, die Erlaubnis zu einem Treffen zu geben, wurde zum Instrument der eigenen Nachstellungen.
Einige Frauen brachten aus Moskau die Erlaubnis zu einem monatlichen Treffen mit, beispielhafte Führung und Erfüllung der Produktionsnormen vorausgesetzt. All das natürlich ohne Übernachtung, mit obligatorischer Anwesenheit eines Lagerchefs.
Fast niemals gelang es einer Frau, in derselben Siedlung Arbeit zu finden, in der ihr Mann inhaftiert war.
Und wenn es ihr wider Erwarten gelang, in der Nähe ihres Mannes Arbeit zu finden – wurde er umgehend an einen anderen Ort versetzt. Das war nicht ein Vergnügen der Leitung, das war die Erfüllung einer Dienstanweisung, »Befehl ist Befehl«. Derartige Fälle waren von Moskau vorgesehen.
Es gelang den Frauen nicht, ihren Männern irgendwelche Lebensmittel zu übergeben – auch hier gab es Befehle und Normen, eine Abhängigkeit von den Arbeitsergebnissen und dem Verhalten.
Ihren Männern das Brot über die Begleitposten geben? – sie werden Angst haben, ihnen ist das verboten. Über den Chef? Der Chef ist bereit, aber verlangt seinen Lohn in Naturalien – dem eigenen Körper. Geld braucht er nicht, er hat Geld wie Heu, nicht umsonst ist er schon lange »Hundertprozenter«, d.h. er bekommt das vierfache Gehalt. Und eine solche Frau hat wohl auch kaum das Geld zu bestechen, besonders nach den Maßstäben der Kolyma zu bestechen. So ausweglos war die Lage, in die man die Häftlingsfrauen versetzte. Und wenn die Frau auch noch Frau eines »Volksfeindes« war, dann wurde mit ihr schon gar kein Federlesen gemacht – jede Beschimpfung galt als Verdienst und Heldentat und wurde zumindest politisch positiv gewertet.
Viele Frauen hatten sich auf
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