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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Exzellenz? Immer wäret Ihr zu schönen Worten bereit. Ihr habt mir versprochen, daß ich singen soll; keine Stunde ist's bis dahin; und da laßt Ihr Euch und mich in die Hände dieser Schweine fallen! Ihr laßt zu, daß ich nicht singen soll! Ihr seid feige! Habt Ihr keine Diener mehr, diese davonzujagen? Was wollen sie? Sagt ihnen doch, daß ihr Papst und ihre Freiheit mich nicht schert und daß ich singen muß!" Die Polizisten lachten; ihr Hauptmann feixte verächtlich. Dario Rupa sah ihn an. Die Hand am Hals, in letzter Not und hastend:
    „Ich biete Euch alles, was ich besitze, laßt Ihr sie los. Nehmt mich, tötet mich, ich bitte Euch, und laßt sie frei!"
    „Was haltet Ihr mich auf! Alles wartet auf mich. Die Zeit ist erfüllt. Alles wartet: Gott selbst wartet!" Sie bekreuzte sich. Die Sbirren lachten roher. Sie begriff nicht und starrte wirr in die unheilvollen Gesichter. Der Geruch machte ihr bange: dieser Geruch von Pulver und schweißigem Leder, der ihr der jäh eingedrungene Geruch des Unglücks schien. Sie haßte diese Menschen, die Lachenden und die Wutbleichen, die Gefesselten wie ihre Häscher: alle. Und jenes machtlose, blutende Gesicht, das sich ihr darbrachte, erbitterte sie wild. ,Geh zum Teufel!' sagte sie ihm mit den Augen. ,Du bist mir zu nichts mehr nutz!' Sie fuhr auf. „Aber hört, ihr alle! Ich werde euch zeigen, wer ich bin. ihr werdet es bereuen, euch an mir vergriffen zu haben. Es gibt Mächtige, die mich heute abend zu hören wünschen. Seine Exzellenz hat einem Herrn Kämmerer von mir gesprochen, und Seine Heiligkeit weiß von mir. Der Kardinal Aldobrandini will ins Theater kommen. Hütet euch, einer Eminenz ihr Vergnügen wegzunehmen. Es könnte euch alle verderben!"
    Der Hauptmann winkte den Soldaten, nicht zu lachen. „Es ist wahr" - und seinem Blick hielt ihre Scham nicht stand-, „Ihr könnt noch vielen Vergnügen machen. Es wäre schade um Euer zartes Fleisch, käme es auf die Folter..." Plötzlich befahl er, alle abzuführen. Dario Rupa, den sie stießen, wandte sich nach ihr um; sie sah auf seinen Lippen ein Lebewohl, in seinen Augen einen letzten sehnsüchtigen Zuruf: ,Werde groß!' Und allein stand sie vor dem Hauptmann. „Gesteh mir ein, daß du sein Werkzeug warst, und ich laß dich singen."
    „Was soll ich gestehen?"
    „Er ist dein Liebhaber, und es ist peinlich, gegen einen Liebhaber auszusagen. Bedenke aber, daß er ohnedies verloren ist. Sein Haus hat Verschwörern gedient. Du schadest ihm kaum, und uns machst du dich beliebt. Anstatt daß ihr beide das Verhör erleidet, werde ich ihn sogleich erschießen lassen. Du aber bist frei... Sprichst du?"
    Sie hatte es gewollt, nur war ihr der Ton versiegt; und sie haßte sich selbst, weil sie noch nicht hervorgebracht hatte, was sie frei machen sollte. Der Hauptmann sagte:
    „Du bist jung; auch heißt es, du seist eine Künstlerin. Wer weiß, zu welchen Triumphen du bestimmt bist. Der Amati haben sie neulich eine Pforte aus Rosen gebaut. Viele werden dich lieben. Halte dich nicht bei dem einen auf, der verloren ist. Ein Verlorener kann nicht länger dein Liebhaber sein."
    Es war sehr schattig geworden im Saal. Von den verschränkten Armen des Hauptmanns fiel sein Mantel in weiten, dunkeln Flügeln. Sie hatte seine Worte im Kopf, ohne daß seine Stimme darin nachklang. Es war, als sei sie reglos, ohne Laut mit sich allein. Da warf sie sich herum.
    „Er ist nicht mein Liebhaber. Er wollte mich singen hören. Liebte er mich? Ich liebe ihn nicht. Was geht er mich an?" Sie sprach hinter sich, als habe sie jemand zu beschwichtigen, der dort im Dunkeln versteckt läge: vielleicht ihre Tante Barbara, vielleicht etwas anderes, Namenloses. „Er hat mich aus dem Elend gezogen, sagst du? Andere hatten mich singen gehört und mich dennoch darin gelassen? - Aber, habe ich ihn darum gebeten? Versprach ich ihm Dank? Ich soll singen; Gott gab ihm den Befehl, es mich lehren zu lassen!... Was sagst du? Niemand lebe so mit meiner Stimme, gehöre ihr so?... Aber ich fürchte mich nicht, allein zu bleiben! ... Er will mich groß? Daß er verschwinde, werde mir Unglück bringen? ... Es gibt kein Unglück, fühle ich, das mich nicht nährt. Für mich sind Gott und Teufel nur eins."
    Sooft von hinten eine neue Frage kam, schnellte sie herum nach dem Hauptmann, und in seinen Augen, die sie mitten im Schatten deutlich erkannte, war schon die Antwort entschieden. Seine Klugheit gab ihr Grauen und Trost. „Und endlich verlangt er selbst nichts

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