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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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geschieht... Ja, Ihr sollt die Lukrezia singen. Eine Stimme verlangt, daß ich sie Euch auftrage, sie Euch hinterlasse, ihr seid größer als ich. Wehrt nicht ab! Ich liebe Euch nicht, verzeiht! Aber Ihr seid größer; und Festeres, Stolzeres werden sie Euch errichten als eine Rosenpforte. Mich sahen sie gern. Mein Gesicht machte sie ein wenig glücklicher. Sie fühlten Wohllaut in meinen Wendungen. Wenn ich lächelte, verziehen sie mir meine Stimme, die so wenig vermochte. Ich hatte nichts gelernt, ich gestehe es Euch. Man ließ mich nie, und mein Herz ließ mich nie. Ihr seht, daß ich noch erröte. Und soll doch bald ganz erblassen. Ritter, näher zu mir!... Ihr aber, Signora Branzilla, seid eine große Künstlerin. Ihr werdet herrschen, wo ich nur Vergnügen machte. Ich lasse Euch die Lukrezia. Hier habt Ihr die Rolle! Morgen sollte ich sie ihnen singen. Singt sie ihnen morgen, damit Eure große Kunst sie rascher mich vergessen macht. Nicht den Ruhm ja liebte ich. Meinen Schatten tröstet das Gedächtnis eines einzigen. Nehmt, Ritter!"
    „Wollt Ihr Eure Hand nicht auch mir verstatten? Verzeiht, daß ich sie mit Tränen befeuchte! Ihr macht mir Schmerz und Scham. Ich habe Euch zu sehr bewundert: wie darf ich leiden, daß Ihr Euch vor mir demütigt! Laßt mich Euch bedienen! Wollt Ihr trinken? Ich muß Euch zuerst ins Ohr sagen: schickt von Eurem Lager den Buckligen fort! Er ist voll arger Gedanken und wird Euch Unglück bringen. Legt Eure Lippen an das Glas; das Cordiale ist hineingemischt... Ich durfte nicht zu Euch aufsehen. Ihr wurdet soviel geliebt. Ich selbst fand Euch liebenswert - und ich habe es so schwer zu gefallen. Mit ein wenig Gesang? Ein wenig klingender Luft? Sagt selbst, was das bedeutet, wenn man eckige Glieder und eine ungefällige Miene hat. Nein, Signora, ich bleibe Tullia, Eure Dienerin. Laßt mich immerhin für morgen die Lukrezia erlernen: darum weiß ich doch, daß ich sie, beschämt und erleichtert, Euch, der Genesenen, zurückgeben werde. Aber was ist Euch? Kommt Euch denn schon wieder Ohnmacht an? Helft doch, ihr Herren! Wie? Ihr Herz-? Signora SO Himmel!" „Wir sind allein, Signora, denn die Tote zählt nicht. Für Euch zählen doch keine Toten? Den Ritter haben seine Freunde hinausgebracht. Jetzt seid Ihr Lukrezia - und was immer Ihr wollt."
    „Ich will ihr Gewand ordnen. Findet Ihr sie nicht noch schöner als im Leben?"
    „Ich weiß nicht. Einen Buckligen kümmert das nicht." „Sie wird doch einmal aufhören zu gefallen? Sie muß doch werden wie die anderen Leichen?" „Habt Ihr Furcht, sie möchte Euch noch mit geschlossenen Augen überstrahlen?"
    „Ich fürchte niemand, Signor Sturbanotte. Seht, wie ich ihre Augen auf- und zuklappe! Mit diesen Wimpern wird sie keine Liebe herbeiwinken."
    „So furchtlos als geschickt! Wie Ihr zu spielen versteht, noch an einem Sterbebett! Wie trefflich Ihr ein Cordiale mischt! Ihr müßt Übung darin haben." „Was tragt Ihr da im Ärmel, Signor Sturbanotte? Ei, seht: ein rundes flaches Fläschchen miteinerwasserhellen Flüssigkeit darin! Wäre das gar das übel berufene Tofanawasser? Das müßt Ihr häufig angewendet haben, Sturbanotte. Seit Monaten hat sie's bekommen: jetzt begreife ich das seltsame Feuer, an dem sie starb, und das nur Ihr erkanntet! Aber welche furchtbare Rachsucht, buckliger Sturbanotte. Weil sie Euer Liebeswerben abwies! Ihr seid ein schrecklicher Mann, ich werde allen gegen Euch zur Vorsicht raten ... Ach nein, ich scherzte: Ihr braucht nicht zu erbleichen. Das Wasser, sag' ich Euch ins Ohr, trugt nicht Ihr im Ärmel. Ich habe Euch nur zeigen wollen, daß ich noch geschickter bin, als Ihr meintet- und Euch warnen ... Und nun wißt, daß ich niemand zu scheuen habe. Denn ich tat recht. Gott selbst trug es mir auf. Er ließ mich träumen und zeigte mir die Amati in der Hölle und in der Pein. Sie hatte keine Nase mehr, und die Teufel zwickten ihr die Brustwarzen ab. Aber hoch darüber, gleich unter Gottes Thron, auf Wolken stand ich selbst und sang!... Das ist Gerechtigkeit, Sturbanotte. Denn sie schändete die Kunst. Sie gab vor, eine Sängerin zu sein, und war eine Dirne. Mit ihrem Dirnengesicht, ihren Dirnengliedern betäubte sie das Volk, daß es nicht merkte, wie die Kunst verdarb. Die Kunst war in mir, und niemand hörte sie. Gott war verlassen, er schrie nach Rache. Ich folgte ihm und tötete sie und lernte, indes ich sie tötete, seit Monaten ihre Rolle. Wäre ich nicht Gott gefolgt, noch immer würde das Volk nur

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