Kuenstlernovellenovellen
aufmerksam war."
„Ich verzeihe nichts. Würden sie mir verzeihen, wenn ich schlecht sänge? Niemand würde fragen, ob ich krank war. Ich singe nur die Tullia. Die Lukrezia gehört der Amati, die so viel größer ist als ich, so viel schöner, liebenswerter, kunstreicher. Ich bescheide mich und bin ihre Dienerin. Aber auch die Dienerin will ich ganz sein. Ich übe meine Cavatine Tag und Nacht, ich küsse hundertmal den Saum meiner Herrin, die mein Geist vor sich sieht. Meinst du, ich fürchtete jene, die pfeifen möchten? Arme Unwissende! Mich ängstigt nur der göttliche Wille in mir. Darf ich denn ruhen, solange irgendein Mensch meine Rolle besser machen könnte? Sie müssen sich beugen: nicht vor mir, ich bin nichts; doch vor dem Vollkommenen. Sie widerstreben, ich weiß es wohl, dem Vollkommenen. Es ist stolz, es demütigt sie. Sie fühlen sich wohler bei den Hübschen, die es sich und ihnen leicht machen... Ah! Sturbanotte. Nur herein! Ihr könnt davon reden. Ihr seid ein Buckliger, und Ihr singt herrlich gut.
Seid Ihr schon einmal an einem Theater zum erstenmal aufgetreten, ohne daß sie Euch ausgelacht hätten? Immer mußtet Ihr Euch zuerst vor die Rampe stellen und ihnen versichern, Ihr seiet nicht gekommen, Euch sehen, sondern Euch hören zu lassen. Nun also: das Vollkommene erscheint ihnen immer bucklig. Es stößt sie ab und muß sie überwältigen... Ich spreche nur zu Euch, Sturba-notte - da Ihr mir die Ehre erweist, in meine Garderobe zu kommen, die von Männern leer ist: nur zu Euch. Ihr allein versteht mich. Ihr denkt doch nicht, ich redete zu jenem albernen Mädchen, das aus unglücklicher Liebe krank wird? Sie hätte ein Kleid machen sollen. Ein vollkommen gemachtes Kleid würde ihr dummes kleines Dasein gerechtfertigt haben. Was tut sie? Sie ißt, trinkt, liebelt, sie zerstreut sich, bis sie ganz verschwindet. So machen es alle. Hat Euch schon einer einen Schuh oder einen Bart gefertigt um anderes als das bißchen Geld? Habt Ihr schon einen singen gehört, dem's nicht bloß um den Beifall war? Wie wohlfeil alle sich nehmen! Wie ich alle verachte!"
„Ich verstehe: auch die Amati."
„Das könnt Ihr nicht glauben. Eine so große Künstlerin! Sie ist berühmt, und wie viele lieben sie! Ich bin ihre Dienerin."
„Ihr spielt ihre Dienerin, es ist wahr. Auch genießt sie noch große Anbetung. Nicht mehr lange, sagen die Ärzte. Der arme Ritter Rosaspina! Wie er sie liebt! Aus seinem Blut würde er ihr ein Elixier pressen! Sie schwindet dahin. Ihre Stimme war gestern so schwach, daß im Theater mehrere weinten. Ein Mittel gegen das böse Feuer, das sie verzehrt! Ein Gegengift!"
„Ein Gegengift? Signor Sturbanotte, Euer Grinsen ist entsetzlich. Nie sah ich so sehr, daß Ihr ein Buckliger seid, ein boshafter Buckliger. In Eurer roten Kappe, mit Eurem langen Schwert! Was für einen schrecklichen Schatten Ihr werft! Verlaßt mich! Was ängstigt Ihr mich! Kein guter Mensch wird glauben, eine so liebenswerte Künstlerin könne vergiftet werden."
„Ihr mißversteht mich, Signora. Ich sprach von einem bösen Feuer in ihr. Seht doch ihre Augen an! Ihr Blut verzehrt sich selbst. Es ist ein äußerst trauriger Anblick, wie sie daliegt und Schwäche und Angst erleidet und sich nicht begreift. Ihre Garderobe ist wie ein Sarg, worin die Liebhaber sich mit ihr verschlossen haben. Unterirdisch still ist's darin. Das Lachen derer, die zu lachen wagen, klingt ohne Widerhall und als drückten fünf Fuß Erde darauf. Das Schluchzen des Ritters Rosaspina bricht sich an den Füßen der Amati. Wollt Ihr das nicht sehen? Bliebet Ihr fern, man würde glauben, daß Ihr der Amati nicht wohlwollt..."
„Ich komme. Kein Wort mehr! Denkt Ihr denn, ich wäre nicht längst schon bei ihr, hätte nicht die ungeschickte Schneiderin mich aufgehalten?"
„Oh, Signora! Laßt zu, daß ich Eure Füße umfasse! Ritter, Ihr müßt mir diese Minute gönnen: ich bin die Dienerin Eurer Herrin. Wie wohl Ihr ausseht, Signora! Wie es hier lustig ist! Die Herren ersticken wohl ihr Gelächter in den Taschentüchern, ihr seid wiederhergestellt, nicht wahr, Signora? Ihr werdet es keinen Tag hinausschieben, die Lukrezia zu singen. Eure Tullia bittet Euch." „Ihr selbst, Signora Branzilla, werdet vielleicht die Lukrezia singen. Vielleicht werde ich tot sein."
„Was habt Ihr! Mein Gott!... Sie antwortet nicht. Sie hat sich verfärbt und die Augen geschlossen. Welche Gesichter ringsum! Signora! Kommt zu Euch!" „Ich weiß nicht, was mir
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