Kuenstlernovellenovellen
Besseres. Wie könnte ich ihn glücklicher machen, als wenn ich ihn sterben heiße!... Herr Hauptmann, ich will gestehen." Sie mußte hinunterschlucken. Aber hinter ihren zugedrückten Lidern entstand das hell wogende Festhaus; auf tausend Zetteln, tausend Zungen war ihr Name; auf der Bühne warteten ihrer die Abenteuer eines ganzen Himmels; schon gingen Geigen- und Harfenklänge ihrer Stimme voraus, als der Königin; und da sie ausblieb, erhob sich irgendein Wirbeln und Tosen: nach ihr lärmte ein Volk ... Sie riß die Augen auf. „Er war mitverschworen. Ich hörte ihn mit den andern von Mord sprechen. Sie machten Kugeln, indes ich sang..."
Sogleich sprangen beide Türflügel auf. Der Wächter im Vorzimmer trat beiseite. Eine Fackel sprengte große Schatten durcheinander... Die Branzilla wagte sich hinaus; ihre Hände preßten ihr Herz. Sie eilte verzweifelt; ihr schien's, ihr Fuß bleibe stecken, der Hauptmann hinter ihr werde zufassen... Da überschritt sie die letzte Schwelle. Die Treppe war wirr von Lichtern und Menschen. Neugierige quollen herauf, zwischen die Soldaten, die Diener. Sie mußte haltmachen. Der Hauptmann hinter ihr sagte:
„AdelaVde Branzilla, Ihr seid genötigt worden, in diesem Hause zu singen, damit man nicht merke, daß Staatsverbrechen darin geschehen. Gebt Ihr zu, im Dienste des Dario Rupa gestanden zu haben? ... Sprecht laut!" „Ja."
Die Menge sah sich an und wich. Elegante Abbati verbeugten sich vor der Branzilla, sagten ihr, das Theater warte, und geleiteten sie hinab. Vor dem Tor stand, inmitten alles Volkes, ein Wagen. Wie sie den Fuß hineinhob, fuhr sie zusammen. Die Stimme des Hauptmanns hatte sich nochmals geregt.
„Dario Rupa hat sich gegen das Leben und die Regierung seiner Heiligkeit verschworen? Ihr bezeugt es, AdelaVde Branzilla?"
Sie stand inmitten alles Volkes und zitterte. Der Zweifel lähmte sie, wenn sie sich umwende, werde der Hauptmann verschwunden sein; alles werde nicht wahr und sie werde gerettet sein. Sie riß sich empor. „Ich bezeuge es."
Sie saß im Wagen, wild ging es von dannen. Die Gasse war schwarz; entsetzt klapperte das Echo von den Mauern; die Branzilla litt Furcht und Reue ... Aber Lichter kamen, Wagen, Menschen: und sie richtete sich auf. ,Sollte ich denn sterben seinetwegen: sterben, bevor ich gesungen habe? Nicht sein Verdienst ist's, daß ich erwählt bin: es ist Gottes Sache. Seine Wege sind die eines Fremden; er muß sie sich selbst suchen; und sind sie schlimm, kann ich's nicht ändern. Nicht für ihn habe ich mich kasteit die vielen Jahre. Denn ich lebte fern von den Freuden der Welt, hatte keinen Teil an den flüchtigen Lüsten der Menschen und arbeitete in der Zucht des Herrn für die Ewigkeit. Ich bin seine Nonne: nun will er mich in seine Gnade aufnehmen, ich soll seinen Glanz sehen. Der Himmel wartet, und ein Mensch will mich zurückhalten? Ich hasse ihn, mag er sterben! Jetzt weiß ich's, nicht der Hauptmann war der Teufel, der mich versuchte: der andere war's! Ich bin ihm entronnen, ich habe ihn besiegt; nun kommt die Seligkeit!' Sie war gekommen. Die Branzilla sang. In ihr spielte die Kraft, die dem Himmel gleichkommt. Sie erreichte ihn, schwelgte in ihm und in der Herrschaft über alle jene, die tief dort unten verstummt waren ... Aber sie wagten zu atmen? Nicht für immer waren sie unterworfen? Sie murrten; sie riefen ihr einen Namen zu, einen schon vergessenen Namen, der nach Rache verlangte? Ein Dolch flog auf die Bühne und blieb vor ihr in der Diele stekken? Der Vorhang fiel krachend zu? ...Sie stand, die Stirn gegen eine dunkle Kulisse, und betete. Als sie zurückkehrte, war ihre Stimme der Engel, der, vom Himmel entsandt, mit dem Ungeheuer ringt, mit den Sünden der Welt. Sie hielt es unter sich; es rauchte, spie und würgte. Es zuckte erlahmend, seine grausamen Augen sahen verschwimmend auf sie, die sich von neuem erhob und plante in Herrlichkeit. Von fern erlebte sie, wie schon Anbetung die Herzen weitete, in denen Haß kaum erst schmolz.
„Du siehst recht wohl, daß ich in diesem Kleide nicht auftreten kann. Die Ärmel sind zu lang, und am Rock sitzen die Falten schief. Aber wie sollte es anders sein, da du noch gestern abend dich mit deinem Liebhaber den Leuten zeigtest! Ich sah euch vom Fenster. Ich arbeitete an meiner Rolle, indes du dich vergnügtest."
„Mein Geliebter hat mich verlassen, Signora. Vor Verzweiflung lag ich krank, die Nacht und den ganzen Tag. Die Signora möge verzeihen, wenn ich nicht
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