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Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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lächelte, schmeichlerisch und lässig. Die Branzilla senkte die Lider und gab die Schwelle frei. „Ihr seid ein Künstler, ich leugne es nicht. Aber glaubt mir: ein Leben wie das Eure führt kein der Größe Bestimmter. Haltet Ihr mich für eine große Sängerin?"
    „Ihr seid die einzige. Wer Euch hört, vergißt, daß es vor Euch eine Kunst des Gesanges gab. Ich liege zu Euren Füßen, Signora." „Laßt die Redensarten!"
    Aber ihrer bösen Miene entrang sich ein ungeschicktes Lächeln. Er sah sie an; er schob, und wendete sich dabei halb in den Hüften, die Nelke wieder in den Mund.
    „Wann seid Ihr zuerst aufgetreten? Siebenundvierzig? Das ist mein Jahr! Ihr habt mein Jahr und seid der einzige, der mir je -. Ihr erschreckt mich! Bringt Ihr mir Glück oder Unglück?... Aber vergeßt nicht, daß Ihr noch nichts seid, noch gar nichts. Was schaden mir Eure Gaben, solange Ihr an armseligen Orten ein unordentliches Leben führt! Ihr habt wenig gelernt, und Ihr wagt, an Größe zu denken? Wollt Ihr meinen Rat? Geht in ein Kloster! Schließt Euch ein, acht Jahre lang, und lernt singen! Dann werden wir sehen, dann werden wir uns wieder sprechen. Vorher hofft nichts! Geht!" Er prüfte sie aus den Winkeln und drehte sich zögernd von dannen. Sie atmete stockend. Plötzlich, auffahrend:
    „Nein! Nein! Ich darf nicht, darf Euch nicht untergehen lassen. Ihr seid der einzige, der mir je gleichkam. Und wie geschieht es, daß ich Euch auffand: ich, die Bran-zilla, die nur an der Scala, an San Carlo, am Argentino singt und eines Abends sich herbeiläßt, auf Euer Gerüst zu steigen? Als man mir im Gasthaus sagte, in diesem schwarzen Loch werden Opern gesungen: wie doch kam mir die Lust, allen Glanz meiner Kunst zwischen euch zu tragen, unberechenbar gnädig, wie Gott? War's nicht vielleicht Gott, der durch mich handelte? Seine Hand nach Euch ausstreckte, Cavazzaro? Es wäre besser, er hätte mich Euch nicht kennen lassen. Da ich aber nun weiß, daß Ihr lebt, darf ich Euch nicht verleugnen. Kommt mit mir! Ich will Euch groß machen." „Signora! Eure Hand!"
    „Berührt mich nicht!... Ach, laßt, ich will Euch trotzdem wohl. Warum nennen wir uns nicht du, wie alle Komödianten? Sage also: kannst du Strenge üben gegen dich und dich frei machen? Von allem, was nicht du selbst bist? Niemand mehr lieben? Keine Frauen; denn sie schaden dir. Hörst du: keine Frauen mehr!" „Auch du bist eine Frau."
    „Euer Du ist schamlos. Vergeßt nicht, wer ich bin!" Sie warf sich zurück, sie sah ihm mit Tränen des Zornes in die Augen. Er fragte weich:
    „Habt Ihr nie geliebt, Signora Branzilla? Wie könntet Ihr sonst singen?"
    „Ich habe alle Leidenschaften, und ich mache Kunst daraus. Nichts bleibt übrig, für euch alle nichts. Wer von euch wäre das Herz der Branzilla wert? Nur Gott verdient es."
    „Ich, Signora, denke, indes ich singe, an schöne Frauen: an solche, die ich hatte, und an solche, die ich haben werde. Manchmal denke ich nur an die Kneipe." „Es ist wahr, Ihr riecht nach Wein." Er sah sie abgestoßen. Seine Augen baten, unschuldig und schmelzend. Zwei zaghafte Schritte: und er ließ sich sanft vor ihr auf ein Knie.
    „Ich spreche zu Euch, Signora, wie ein Kind: wie ein Bettelkind, das Ihr in Euren Palast aufnehmen wollt und das Euch noch von seinen Lumpen und seiner schlechten Kost erzählt. Verzeiht! Ihr wißt gleichwohl, daß ich künftig nur Euch zu Ehren singen werde. Wie wäre ich würdig, die Kunst zu üben, wenn ich, Eure Töne noch im Ohr, an andere Frauen zu denken vermöchte!" „Hört, Cavazzaro! Ich rede im Ernst. Ich werde Euch neben mich stellen, weil ich muß: weil Ihr schon neben mir steht. Ihr sollt groß werden, Ruhm und Reichtum sollen Euch zufallen."
    Er setzte auch das andere Knie auf den Boden. „Ich werde mit Euch zusammen singen? Ich begehre nichts weiter, Signora. Ich liebe Euch." Sie entriß ihm hastig, daß es zerriß, ihr Kleid. „Belügt mich nicht! Ich bin nicht liebenswert. Die Masse der Schwachen, Schicksallosen liebte mich oft. Was ging mich's an. Ich liebte nur mich. Niemand sonst, nie!... Haltet Ihr mich für schlecht? Seht: ich fand noch nie meinesgleichen. Immer war es mein Los zu verachten. Zuzeiten, ich gestehe es, trug ich schwer daran. Heute besinne ich mich darauf wie auf das größte Glück: als ich noch verachtete. Wollte Gott, ich könnte auch Euch verachten!"
    „Signora, ich liebe Euch."
    „Immer nur: ich liebe Euch. Ihr wißt nichts weiter. Kein Grauen schlägt Euch

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