Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kuenstlernovellenovellen

Kuenstlernovellenovellen

Titel: Kuenstlernovellenovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
Vom Netzwerk:
entgegen aus dem Unheimlichen, das hier geschieht. Ich bin allein. Ich möchte nicht länger allein sein!"
    Ihre Schultern zuckten, ihr Atem schwoll an. Ihr Körper zitterte ganz, und ihre Blicke jagten umher, als ränge sie gegen hundert Fangarme, nach allen Seiten. Er sah hell und sicher darein, wie sie, böse und von Angst gebändigt, sich abarbeitete. Auf einmal breitete er, staunend ergriffen, die Arme aus. Denn ein Glanz aus Tiefen besiegte in ihrem Gesicht alle Härte, alle Qual und verwandelte sie. Die Branzilla ward schön. Den ganzen Himmel in ihrer Stimme, sagte sie: „Ich liebe dich."

V
    „Du hast getrunken. Laß doch endlich das Trinken! Es ist deiner nicht würdig, und es wird dich zerstören." „Höre auf, mich zu quälen! Ich trinke, weil es mir schmeckt."
    „Weil es dir schmeckt. Und wenn es nun deiner Kunst nicht schmeckt? Wer ist wichtiger: deine Kunst oder du?"
    „Ich... Und dann, meine Kunst tut, was ich will. Ich trinke, und sie läßt mich singen. Du hast eine andere Art, um gut zu singen. Du kasteist dich, du fliehst die Menschen, du bist schlechter Laune. Jeder treibt es, wie er vermag."
    „Nur eine Art gibt es, der Kunst zu dienen. Wählst du eine falsche, wird sie dich strafen. Ich werde dich noch gestraft sehen. Wehe dir!"
    „Du sprichst, als wünschtest du es. Du bist eifersüchtig, weil ich genieße."
    „Eifersüchtig auf Genüsse, die ich verachte?" „Dir tut das Trinken nicht gut, mich aber begeistert es." „Begeisterung aus einem Faß! Sich selbst einen Feind in den Leib gießen!"
    „Zum Glück fühle ich mich gesund, meine Stimme ist größer geworden, ich bin sehr beliebt." „Auch ich; und seit kurzem sind wir es beide noch mehr als sonst. Du, der du eine Geliebte in der großen Welt haltest, bist es so sehr wie ich, die in die Loge deiner Geliebten hinaufschoß. Wie wagst du davon zu sprechen, im Augenblick, da wir von der Kunst reden?" „Verzeih - und entschuldige mich; ich gehe zu Freunden. Morgen abend bin ich Theseus - und du Ariadne. Lege dich also ins Dunkel und bete! Ich gehe zu Freunden." „Nicht zu Freunden: zu Weibern! Ich will dir deine Schande ins Gesicht schreien. Morgen abend sollst du an Götter streifen, und heute nacht willst du bei Dirnen liegen. Du bist der Gatte der Branzilla und hast nicht Stolz genug, ihr treu zu sein. Wie du mich herabgezerrt hast! In welchen Schmutz du mich gestürzt hast! Du bist verächtlich wie die andern und kein Künstler. Blind war ich, als ich mich mit dir belud!"
    „Ich verdanke dir viel, das ist wahr, und bin deiner wohl nicht würdig. Aber ein Künstler bin ich, und du weißt es. Vielleicht hab' ich dich sogar überholt. Deine Clelia gestern war ein wenig matt. Und doch kam ich betrunken auf die Bühne, und du hattest gefastet. Rege dich nicht auf! Es würde dich ermatten. Ich wünsche von Herzen, daß du morgen eine sehr gute Ariadne seist. Ich bin nicht eifersüchtig, ich nicht."
    „Du bist morgen ein kraftloser Theseus. Seine Kraft wird in Schenken und bei Weibern geblieben sein." „Ich bin, noch wenn ich auf der Bühne stehe und singe, immer mitten im Leben: heraus aus den Brettern, in denen du dich einsargst."
    „Einen Sarg nennst du die Bühne! Dies Heiligtum, worin wir uns selbst haben!"
    „Mir ist es zu heilig. Deine Kunst scheint mir so heilig wie der Tod. Ich singe den Leuten; mir ist, als sänge ich auf der Straße; meine Stimme sei eine unter vielen und verwehe in sonniger Luft." „Du singst auf der Straße!"
    „Ich singe, wo man will. Ich darf freigebig sein: was kostet's mich! Da, in meiner Kehle, nimmt das Kapital nie ab. Heute auf dem Pincio winkte mich der Fürst Tor-lonia an seinen Wagen und wünschte drei Takte aus ,lhr Sterne, ihr Tränen' zu hören. Drei Takte: dann wisse er selbst weiter. Ich sang, ihm gefällig zu sein, das Ganze vor allen Spaziergängern: - und hier ist der Beutel, den er mir dafür gab. Willst du ein freundliches Gesicht machen? Du bekommst die Hälfte." „Gib her! Die Dukaten werden nicht vom Torlonia sein, sondern von einer Frau. Gib immerhin her! Ich will sie aufheben,für dieZeit,da du dich zugrunde gerichtet hast und ich dich erhalten muß."
    Sie hatte hinter ihm die Tür verriegelt, gierig das Geld gezählt und es in die Truhe gesenkt. Sie lag im Zimmer, worin kein Licht mehr brannte, und zog sich angestrengt ganz auf ihr Innerstes zusammen. ,Morgen bin ich Ariadne, welche Wichtigkeit hat alles andere? Morgen werde ich leben. Es wäre falsch, zu sagen, daß ich

Weitere Kostenlose Bücher