Künstlerpech: Palzkis achter Fall
schneller gewesen. Dafür handelte ich mir einen bösen Blick und ein paar Punkteabzüge in der B-Note ein. Das zweifelsohne gesunde Essen, das ich aufgetischt bekam, zählte nicht zu meinen Lieblingsspeisen, aber das Leben ist nicht immer ein Wunschkonzert.
»Du, Reiner«, meinte Stefanie nach dem Essen, als ich mich auf die Couch gesetzt hatte, »ich glaube, mit Lisa stimmt etwas nicht.«
Ich blickte erschrocken auf. Dieser Satz barg Sprengkraft. Jetzt hieß es, vorsichtig zu agieren.
»Meinst du, wegen ihrem Durchfall? So schlimm war das überhaupt nicht. Das bisschen hatte ich im Nullkommanichts weggewischt, überhaupt kein Problem.«
»Ich meine etwas anderes«, bohrte sie weiter. »Vorhin kam Melanie ins Wohnzimmer, während ich Lisa stillte. Sie hatte eine rote Plastiktüte dabei und raschelte neben Lisas Ohr. Stell dir mal vor: Lisa hat sofort aufgehört zu trinken und ihre Augen waren von der Tüte nicht mehr wegzubringen. Je mehr Melanie damit geraschelt hat, desto mehr freute sie sich. Das ist doch nicht normal für ein Baby, oder?«
Ich musste dringend mit meiner großen Tochter ein Machtwort reden, vielleicht sogar ein Computerverbot aussprechen. Da gibt es im Internet sowieso viel zu viele Sachen, die Jugendliche in ihrem Alter besser nicht sehen sollten. Taktisch klug fragte ich zurück: »Warum hat Melanie das überhaupt gemacht? Hat sie dazu etwas gesagt?«
Ich hoffte, dass die Antwort nicht der Wahrheit entsprach.
Meine Frau zog die Schultern hoch. »Sie wollte wohl schauen, ob Babys schon auf Geräusche und Farben reagieren. Das ist ja auch in Ordnung. Dass Lisa dafür aber die Brust verschmäht, ist mehr als ungewöhnlich.«
»Vielleicht mag sie keine vegetarisch produzierte Muttermilch?«
Damit wollte ich sie eigentlich etwas aufziehen, doch sie wurde nachdenklich.
»Meinst du?«, fragte sie unsicher.
»Wir können mit ihr ja mal den ultimativen Caravella-Test machen«, schlug ich vor.
»Untersteh dich!«
Der Rest des Samstags verlief in geordneten Bahnen. Den Einkauf hatte Stefanie längst ohne mich erledigt. Nachdem Lars und Lisa knapp zwei Stunden nach Mitternacht endlich friedlich eingeschlafen waren, kehrte die lang ersehnte Ruhe im Haus ein.
*
Das Klingeln des Telefons riss uns aus dem Tiefschlaf. Mein Herz pochte, als wäre es das einzige Organ in meinem Rumpf. Mit nur einer Sekunde Verzögerung schlugen aus dem Kinderzimmer zwei Babys gleichzeitig Alarm. Ich blickte rüber zu Stefanie, die nicht nur wegen ihrer Augenringe scheußlich aussah. Kein Wunder, bei so einer Weckaktion.
Stefanie fand als Erste zurück zur menschlichen Sprache. »Ich geh rüber zu den Kindern, geh du ans Telefon. Du siehst übrigens verboten aus.«
»Danke«, antwortete ich knapp und versuchte, das Telefon zu erreichen, was nach einer kleinen Schwindelattacke klappte.
»Palzki«, meldete ich mich gewohnt knapp.
»Ja wo bleiben Sie denn?«, schrie mich eine Stimme an, sodass ich im Reflex den Hörer eine Lineallänge von meinem Ohr riss.
»Herr KP, – äh, Herr Diefenbach?«
»Hörtest bestanden«, schrie KPD weiter. Warum benutzte mein Chef überhaupt ein Telefon? Genauso gut könnte er aus seinem Bürofenster schreien, das würde das gleiche Resultat bringen.
»Ist was passiert?«, fragte ich naiv, obwohl mir die Antwort klar war.
» Was passiert ?« KPDs Stimme überschlug sich. »Es gibt einen Toten in Frankenthal, morgen früh kommt McStirnhör zur Bestandsaufnahme, und ich habe ebenfalls einen schwierigen Mordfall an der Backe. Und da fragen Sie, ob was passiert ist?«
Das Display des Telefons zeigte mir, dass es kurz vor 7:30 Uhr war. Und das an einem Sonntag.
»War nicht so gemeint. Ich fahre heute Mittag mit Herrn Steinbeißer nach Frankenthal und kläre, ob die Akte bereits übergeben werden kann.«
»Palzki!« KPDs Stimme klang, als wäre er kurz vor einem cholerischen Kollaps. »Sie können nicht davon ausgehen, dass Ihre Kollegen in anderen Dienststellen bei den Ermittlungen ebenfalls so träge wie Sie sind. Selbstverständlich haben die Frankenthaler bereits gestern Abend ihre Ergebnisse vorbeigebracht. Zum Glück waren Frau Wagner und ich noch im Büro. Nicht auszudenken, wenn niemand mehr da gewesen wäre. Solche Akten kann man ja nicht einfach in den Briefkasten werfen oder unten am Empfang der Schutzpolizei abgeben. Das ist alles viel zu brisant.«
Ich fluchte vor mich hin. Immer diese Aktionen gegen die eigene Selbstbestimmung. Kein Wunder, dass ich Weltmeister
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