Künstlerpech: Palzkis achter Fall
eurer Beziehung unterm Pantoffel stehst? Oder sollte ich sagen, unter der Kartoffel?«
Hoffentlich gelang es mir, Gerhard zu überzeugen. Nicht auszudenken, wenn er zukünftig mit mir unterwegs sein würde und statt an einer Imbissbude an einem Obst- und Gemüsegeschäft Rast einlegen würde.
»Gesund wäre es auf jeden Fall, wenn man deinen Bauchansatz anschaut und zusammenrechnet, was du gerade in dich reingestopft hast.«
Empört entgegnete ich: »Aber hallo, du tust gerade so, als wäre ich dick.« Zum Beweis wollte ich die Finger meiner rechten Hand unter den Gürtel stecken, schaffte es aber nicht, weil der Gürtel nicht flexibel genug war. »Heute Morgen während der Besprechung habe ich im Gegensatz zu dir gefastet. Ich liege nur knapp über meinem Normalgewicht.«
Gerhard fixierte mich und lachte. »Nur, dass du für dein Normalgewicht einen halben Meter zu klein bist.«
»Ha, ha, ich lach mich tot. Es gibt übrigens auch dicke Vegetarier.«
»Ein paar wenige, ich weiß, aber hier gehts ums Prinzip.«
»Nein, hier gehts um die Wurst«, beharrte ich.
Während unserer Diskussion fuhren wir durch Ludwigshafen, überquerten eine der beiden Rheinbrücken und rollten gerade über die Mannheimer Kurpfalzbrücke, die den Neckar überspannt.
Die Verkehrsführung des Alten Messplatzes, der sich der Brücke anschloss, war für mich schon immer ein Graus. Jemand, der nur selten dort entlangfuhr, hatte seine Probleme, an der richtigen Stelle wieder herauszukommen. Hinzu kam, dass vor wenigen Jahren der komplette Platz umgestaltet und damit die latent eingeschlichene Routine zunichtegemacht wurde.
Das Capitol lag nur einen Steinwurf vom Platz entfernt in der Waldhofstraße, durch die sich in der Mitte eine Straßenbahnlinie entlangzog. Das Capitol war zu seiner Bauzeit im Jahr 1927 das größte Kino Deutschlands. In den 80ern des letzten Jahrhunderts war Schichtende. Mit den großen Multiplexkinos konnte man nicht konkurrieren. Fast wäre ein Supermarkt eingezogen, doch glücklicherweise zerschlugen sich die Pläne. Seit über einem Dutzend Jahren war das Capitol weit über die Grenzen Mannheims hinaus zu einer Institution für Künstler fast aller Art geworden. Selbst überregional bekannte Stars suchten regelmäßig das besondere Flair des ehemaligen Lichtspielhauses mit seiner grandiosen Kuppel.
»Da rechts abbiegen«, sagte Gerhard schroff.
»Ich weiß, immer den Straßenbahngleisen nach. Ich war schon im Capitol, da hat dich deine Mama noch nicht einmal allein auf den Spielplatz gelassen.«
»Echt?«, meinte Gerhard. »Du warst schon mal hier?«
»Ist das eine Überraschung für dich? Ich war einige Male mit Stefanie im Capitol. Da könntest du auch mal mit deiner Jasmin hingehen.«
Darauf wusste mein Kollege keine Antwort.
Der nächste Schock traf uns noch im Wagen sitzend: Vor dem Eingang des Capitols stand vollkommen verkehrswidrig und den Durchgangsverkehr behindernd das Reisemobil von Dr. Matthias Metzger. Der blutrote Schriftzug ›Dr. Metzger – wenns mal schnell gehen muss‹ auf der Seite des Gefährts war neu und wurde durch den makabren Zusatz ›OP-Angebot des Monats: nimm 3 – zahle 2‹ ergänzt.
»Der lässt sich immer was einfallen«, meinte Gerhard ironisch. »Mich würde es nicht wundern, wenn Dr. Metzger live auf der Bühne Show-Operationen zelebrieren würde. Wahrscheinlich wäre der Saal sogar ausverkauft. Und falls was schief ginge, könnte er immer noch die Körperteile an den Präparator von Hagens verkaufen.«
»Du kannst ihm ja den Vorschlag machen«, meinte ich und entdeckte direkt neben dem Haupteingang des Capitols einen halbwegs geeigneten Parkplatz. Wegen des absoluten Halteverbots legte ich einen Zettel mit meiner Handynummer auf das Armaturenbrett.
»Mein Wagen ist halt nicht so prominent wie der des Notarztes«, meinte ich. »In Mannheim wird gern abgeschleppt, habe ich mir von jemandem sagen lassen.«
»Besonders, wenn man vor einer Feuerwehrzufahrt parkt«, entgegnete mein Kollege und deutete auf ein diesbezügliches Schild an einem Hoftor.
Meine Ausrede war präzise und multiüberzeugend: »Wir dürfen das, außerdem sind wir zeitlich knapp dran. Komm schon, steig aus.«
Wir liefen Metzger, der gerade aus seinem Reisemobil stieg, direkt in die Arme.
Mit einer seiner für ihn typischen übertriebenen Gesten griff er sich wie Stan Laurel in seine schulterlangen feuerroten Haare und eröffnete den gefürchteten Dialog mit einem chronisch-krankhaften
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