Kürzere Tage
sie erwürgen. »He!« sagte Mini-Marco, »das sind meine!« »Du mußt Marco sein. Ich bin der Achim. Ab heute werde ich bei euch wohnen. Ist alles besprochen mit deiner Mutter. Sie und ich, wir kennen uns schon ’ne Weile.« Er atmete durch. Seine dikken Lippen glänzten, als hätte er sie mit was beschmiert. »Fotzenkopf«, dachte Mini-Marco. Und dann kam’s. Achim schleuderte ihm die Tüte ins Gesicht. »Schaff das Zeug raus, aber dalli. Hier gibt’s keine Sauerei im Zimmer. Hast du verstanden?« Mini-Marco hatte natürlich nicht verstanden. Er war karu , auch wenn Eino weg war. Einfach abgehauen, seit Monaten schon. Nichts als einen Zettel hatte er dagelassen. Aber Mini-Marco war immer noch karu . Und ein karu ist vielleicht langsam, auch nicht so fix im Reden, aber er läßt sich nichts sagen. Er ist stur. Sagt so was wie: »Was soll das, du hast mir gar nix zu sagen!« Achim setzte sich neben ihn auf die Couch. Die Polster sanken tief ein. Anita schlief schon ewig darauf, erst allein, dann mit Eino, dann wieder allein. Achim sah Marco in die Augen. Seine Augen waren klein, blau und wäßrig. Ganz anders als Einos. Der hatte auch blaue Augen gehabt, aber richtig blau, so wie sich Mini-Marco das Meer vorstellte, das er noch nie gesehen hatte, das Meer um das Land, aus dem Eino gekommen war, Estland. Eestimaa , von dem Eino eigentlich immer redete, wenn er mal den Mund aufmachte. AchimsGesicht war, wie die Arme und Beine, sehr braun. Überall sah Marco Adern und Muskeln, kein einziges Haar. Und alles glänzte ölig. »Pornostar«, dachte Mini-Marco noch. Achim sah aus wie einer von diesen ächzenden, schwitzenden Typen, die er neulich bei seinem Schulkumpel Didi besichtigen mußte, auf einer DVD. »Voll krasses Teil, hab ich von meinem Alten aus dem Nachttisch. Die ficken da wirklich. Willst du gucken?« Sie hatten geguckt. Mini-Marco fand es langweilig und ziemlich eklig. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, daß Erwachsene so etwas tatsächlich taten und dabei so kreischten und jodelten wie bei Oma Bines Volksmusik. Eino und Schwabbel-Anita hatte er nie gehört oder gesehen, obwohl zwischen ihnen nur der Vorhang gewesen war.
Achim räusperte sich, fettiges Krächzen. Pornostar, was willst du hier? Er drehte Mini-Marcos Kinn in seine Richtung. Die Finger stanken nach Rasierwasser. »Ich red nicht gern viel, deshalb sag ich es nur einmal, verstehst du? Ich arbeite viel und hart. Und wenn ich nach Hause komme, dann ist hier Ruhe. Keine Glotze, kein Dreck. Der Russe, der da vorher bei euch gewohnt hat, dem hat das vielleicht gefallen, Geschmiere auf den Möbeln und ein Gör, das vorlaut ist und keinen Respekt hat und keine Manieren. Die kennen das auch nicht anders, die Russen. Sind versoffen. Machen nur Ärger. Aber damit ist jetzt Schluß, verstanden?« Mini- Marco hatte nicht verstanden, warum er aus dem Zimmer ging, in die Küche, er wühlte da rum, es klirrte. Was kam jetzt? Es war komisch, und Anita war nirgends zu sehen, sie war noch nicht zu Hause, wahrscheinlich hing sie irgendwo in der Stadt rum. Dann kam Pornostar wieder, den Staubsauger in der Hand. Marco wußte noch genau, daß Mini-Marco damals dachte: »Aha, die Krümel, die Kokoskrümel vom Mäusespeck, die auf dem Sofa rumliegen wie kleine weiße Würmchen, jetzt muß ich die wohl wegsaugen.« Mini-Marco dachte, daß das ja eine schöne Scheißewar, putzen mit Pornostar, der nicht mal weiß, daß Eino kein Russe ist, sondern Este. Eino hätte ein bißchen gelacht, aber nicht richtig. Er wurde nicht gerne für einen Russen gehalten. Erst dann war bei Mini-Marco was eingerastet, als er checkte, daß Pornostar nicht den ganzen Staubsauger mitgebracht hatte, sondern nur das Rohr mit dem Saugding vorne dran.
Das armdicke glänzende Teil blitzte in seine Richtung. Er versuchte abzuhauen, zur Tür. Aber Pornostar sorgte dafür, daß Mini- Marco gegen die Wand gedrückt wurde, no way . Er schleuderte ihn zu Boden. Es war nicht möglich, wieder hochzukommen. Und dann kniete er sich über seine Beine. Mini-Marco konnte seinen fetten Arsch spüren und die knochigen Stelzen, an denen die harten Muskeln zuckten wie ekelhafte Tiere. Volles Rohr ging es auf ihn runter, und je mehr er schrie und zappelte, um so schlimmer wurde es.
Mini-Marco konnte einen Knuff vertragen, so war es nicht. Natürlich hatte Eino ihn mal angepfiffen. » Karu , du bist zu laut! Halt die Klappe, karu .« Wenn er es zu wild trieb, hatte Eino so einen Griff draufgehabt, hinten
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