Kuess mich doch - Roman
Großmutter verdankte Lexie ihr ganzes Selbstbewusstsein. Ihre extrem leistungsorientierte, zielstrebige sonstige Familie war ihr in dieser Hinsicht keine Stütze gewesen. Lexie war verträumt und schwebte oft in den Wolken, und ihre unkonventionelle Großmutter war die Einzige, die Lexie so akzeptierte, wie sie war.
Sam hatte natürlich keine Ahnung, warum Lexie so viel Wert darauf legte, wie ihre Großmutter zu sein, aber immerhin war es ihm bereits aufgefallen. Da er nicht gern reiste, war eine dauerhafte Beziehung zwischen ihnen von vornherein ausgeschlossen, aber es sprach eigentlich nichts gegen eine kurze Affäre. Diesbezüglich herrschte bei ihr ohnehin schon viel zu lange Flaute.
Lexie fand Coop trotz seiner ernsthaften Art sympathisch, und er schien weder zugeknöpft noch nachtragend zu sein. Er war ganz anders als ihr Vater und ihre Schwester, die beide im Bankenwesen tätig waren, ganz zu schweigen von ihrer Mutter, einer vor Energie strotzenden Rechtsanwältin, deren erklärtes Lebensziel es war, perfekte Kinder zu haben.
Ja, Sam Cooper reizte sie. Er war ungebunden und Single, was für Lexie seit der Erfahrung mit Drew unbedingte Voraussetzung war. Drew war zwar nicht von Anfang an mit einer anderen Frau zusammen gewesen, aber wie es aussah, war er stets offen für andere Optionen gewesen. Inzwischen versuchte sie, die Männer von vorneherein besser einzuschätzen.
»Erde an Lexie …« Sam schnippte mit dem Finger, um sie wieder in die Gegenwart zurückzuholen.
»Verzeihung, ich war mit meinen Gedanken gerade woanders. Das passiert mir öfter.« Für ihre Familie war sie deshalb eine Träumerin.
»Solange Sie sich mit mir nicht langweilen«, meinte er mit einem Lächeln.
»Aber nein, das ist eher ein Ausdruck meiner kreativen Seite.« Sie würde sicher nicht zugeben, dass sie über ihn nachgedacht hatte. »Hin und wieder gehen meine Gedanken einfach auf Wanderschaft, und wenn ich dann ganz in meiner eigenen Welt bin, kommen mir oft Ideen für neue Webseiten. Dabei kreisen meine Tagträume manchmal gar nicht um die Arbeit.«
»Sieht ganz danach aus, als hätten wir etwas gemeinsam. «
Sie zog die Nase kraus. »Dass wir ein bisschen verrückt sind?«
Er lachte. »Nein, dass wir beide zu kreativen Tagträumen neigen. Ich gehöre nämlich der schreibenden Zunft an.«
»Ich weiß. Verbrechensbekämpfung.«
Er rückte näher. »Ich schreibe auch Romane.« Er sprach leise, fast flüsternd.
Dass er ihr ein persönliches Geheimnis anvertraute, gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes für ihn zu sein. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz warm. »Das ist ja cool! Was denn für Romane?«
Er wirkte gleich etwas weniger angespannt. »Krimis. So im Stil von Dashiell Hammets Romanen um Privatdetektiv Sam Spade.«
»Ich lese für mein Leben gern Romane, vor allem Krimis. Ehrlich gesagt bin seit Jahren ein großer Fan von Robert Ludlum.«
Er nickte erfreut. »Sie sind eine vielseitige Frau«, sinnierte er.
»Haben Sie schon etwas veröffentlicht?«, fragte sie.
»Ja, zwar nur bei einem kleinen Verlag, aber …«
»Sie haben große Pläne«, vervollständigte sie seinen Satz.
In seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus Verblüffung und Erleichterung wider.
»Wie haben Sie das erraten?«
»Lassen Sie es mich so formulieren: Ich erkenne in Ihnen einen Seelenverwandten.« Sie tätschelte seine Hand.
Es hätte eine verständnisvolle Geste sein sollen, doch sie verursachte das reinste Feuerwerk in ihrem Körper, der plötzlich lichterloh in Flammen zu stehen schien. Die Anziehungskraft, die latent unter der Oberfläche geschlummert hatte, machte sich jetzt mit aller Kraft bemerkbar.
Lexie fuhr überrascht zurück, doch er reagierte blitzschnell und ergriff ihre Finger, und weil sie die Berührung genoss, ließ sie ihn nur zu gerne gewähren.
»Arbeiten Sie zurzeit an einem Roman?«, fragte sie, damit er weiterredete, während sie ihre gesamte Aufmerksamkeit seinem Daumen widmete, der sanfte Kreise auf ihre Handfläche malte.
»Vor kurzem ist mir eine Idee quasi in den Schoß gefallen, könnte man sagen.« Er holte tief Luft. »Da fällt mir ein, dass ich Ihnen noch etwas erzählen muss, ehe das mit uns konkretere Formen annimmt.«
»Nämlich?«, fragte sie argwöhnisch, weil er auf einmal so ernst wirkte.
»Der Ring ist nicht nur wertvoll, er ist höchstwahrscheinlich gestohlen.«
»Was? Gestohlen? Von wem?«, wiederholte sie. Was wollte er damit sagen? Ihre Gedanken rasten. Wenn der Ring
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