Kuess mich doch - Roman
erwischt. Nach diesem Vorfall war es dann ein für alle Mal vorbei gewesen. Ihre kleine Clique war zerfallen, alle drei waren eigene Wege gegangen. Ricky hatte eine Zeit lang in Kalifornien gelebt und dort seine Frau kennengelernt. Als er sicher war, dass sich die Wogen geglättet hatten, war er nach New York zurückgekehrt, hatte dort ein Geschäft eröffnet und jahrelang ein unbehelligtes Leben geführt … Und jetzt drohte wegen dieses verdammten Raubüberfalls seine Deckung aufzufliegen. Warum hatte seine Tochter diesem Cooper auch unbedingt eine Belohnung aufdrängen müssen?
Ricky hatte angenommen, alle Andenken an sein früheres Leben seien gut verwahrt. Doch wie sich nun herausgestellt hatte, verkaufte seine Tochter ohne sein Wissen immer wieder Stücke aus seiner privaten Sammlung, und genau das wurde ihm jetzt offenbar zum Verhängnis. Ganz New York hatte diesen dämlichen Ring gesehen, und deshalb musste Ricky ihn unbedingt wieder in seinen Besitz bringen, ehe dieser verdammte Journalist versuchte, ihn zu verkaufen. Sobald ein Juwelier den Ring identifiziert hatte, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Spuren des ungeklärten Verbrechens direkt zu ihm führten.
Erst hatte er freundlich – so freundlich es eben ging – darum gebeten, Cooper möge ihm den Ring
zurückbringen. Dass er ihm eine Abfuhr erteilt hatte, beunruhigte Ricky nur noch mehr. Warum hing dieser Mann, der anfangs doch gar keine Belohnung hatte annehmen wollen, plötzlich so an dem Schmuck? Also hatte sich Ricky auf seine alten Tricks besonnen und sich ein wenig in der Wohnung des Journalisten umgesehen. Den Ring hatte er dabei leider nicht gefunden. Dafür hatte er den Laptop mitgehen lassen, um die Sache wie einen ganz normalen Einbruch aussehen zu lassen.
Und dann war ihm etwas Unerwartetes widerfahren. Er hatte seiner Tochter und seiner Enkelin in die Augen gesehen und begriffen, dass er nicht mehr der Mann war, der vor so vielen Jahren reiche Leute bestohlen hatte. Er hatte sein Kind zu Anständigkeit und Rechtschaffenheit erzogen. Wer hätte das gedacht, dass ihn einmal das schlechte Gewissen plagen würde, weil er etwas an sich genommen hatte, das ihm nicht gehörte?
Mit Handschuhen bewaffnet hatte er den Laptop in Luftpolsterfolie gewickelt und in eine gewöhnliche braune Schachtel gesteckt. Dann hatte er sich auf den Weg gemacht, inkognito natürlich. Seine Verkleidung bestand aus einem Toupet, das ihm wieder seine alte Haarpracht verlieh, einem Stock und einer Sonnenbrille. In einem Postamt in Manhattan hatte er einen Fremden gebeten, das Paket zu adressieren, die Frankierung bar bezahlt und den Laptop an den Journalisten zurückgeschickt. Danach war ihm sogleich etwas leichter ums Herz gewesen.
Doch seine Probleme hatte er damit nicht gelöst.
Der Ring war immer noch irgendwo dort draußen und wartete nur darauf, einen klugen Kopf auf Rickys Spuren zu lenken. Und dann waren da noch seine ehemaligen Komplizinnen …
Kapitel 7
»Es war nett von Sara, dass ich bei ihr bleiben durfte, bis du gekommen bist«, bemerkte Lexie, als sie Coops Wohnung betrat.
Coop warf den Schlüsselbund auf die Ablage neben der Garderobe und schloss die Tür hinter sich.
»Ich hoffe, du hast dich bei ihr nicht allzu unwohl gefühlt.«
Er wusste, was es bedeutete, wenn Saras Neugier erwacht war.
»Ich bin ein großes Mädchen. Ich komme schon zurecht«, antwortete Lexie mit einem gezwungenen Lächeln.
Sie kannten sich zwar erst seit kurzem, und in dieser Zeit hatte sie meist entspannt gelächelt und oft auch ausgelassen gelacht, doch jetzt wirkte sie ungewöhnlich verkrampft. »Das heißt dann wohl, sie hat dich gnadenlos verhört, wie Polizisten es nun mal gern tun?«
Lexie zögerte einen Augenblick. »Lass es mich so formulieren: Sie hat sich offenbar bemüßigt gefühlt, ein Machtwort zu sprechen und mir ein paar … gute Ratschläge zu erteilen.« Sie wandte den Blick ab. Dabei
bemerkte sie den Laptop, der auf dem Couchtisch im Wohnzimmer lag. »Hast du einen neuen Laptop? «, fragte sie. Ein ziemlich gut durchschaubarer Versuch, das Thema zu wechseln.
Er würde wohl oder übel ein andermal nachfragen müssen, was Sara gesagt hatte. »Nein, das ist der, den man mir neulich gestohlen hat. Der Täter hat ihn per Post an die Redaktion geschickt. Noch ein Grund für mein Zuspätkommen – ich musste auf die Polizei warten, um ihn auf Fingerabdrücke untersuchen zu lassen. «
Sie starrte Coop mit weit aufgerissenen Augen an. »Was?
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