Küss mich Engel
wurden. Trey lag im Führerhäuschen und hielt ein Nickerchen. Sie beugte sich durchs offene Fenster und schüttelte ihn am Arm.
»Wo ist Glenna?«
Er stieß mit seinem abgewetzten Cowboyhut gegen den Rückspiegel, als er hochfuhr. »Hä?«
»Glenna! Ihr Käfig ist weg.«
Er gähnte. »Jemand hat sie heute morgen abgeholt.«
»Wer?«
»Irgend so ein Typ. Sheba war dabei. Er hat Glenna in einen Lieferwagen geladen und ist davongefahren.«
Verblüfft ließ sie seinen Arm los und trat zurück. Was hatte Sheba getan?
Sie fand Alex beim Inspizieren des big top nach eventuellen Rissen. »Alex! Glenna ist fort!«
»Was?«
Sie erzählte ihm, was sie soeben erfahren hatte, und Alex musterte sie grimmig. »Komm, lass uns Sheba suchen.«
Die Zirkusbesitzerin saß am Schreibtisch im roten Waggon und erledigte gerade Papierkram. Sie trug das Haar offen, und ihr tief ausgeschnittener Baumwolloverall war am Saum reich mit mexikanischen Motiven bestickt. Daisy drängte sich an Alex vorbei. »Was hast du mit Glenna gemacht?«
Sheba blickte auf. »Was geht das dich an?«
»Ich bin für die Menagerie verantwortlich. Sie ist eins meiner Tiere, und ich bin für sie verantwortlich.«
»Wie bitte? Eins deiner Tiere? Das glaube ich kaum.«
»Hör auf damit, Sheba«, fuhr Alex sie an. »Wo ist der Gorilla?«
»Ich hab sie verkauft.«
»Du hast sie verkauft?« sagte er.
»Du weißt, dass Quest Brothers zum Verkauf steht. Kein potentieller Käufer will sich mit der Menagerie herumschlagen, also hab ich beschlossen, sie zu verkaufen.«
»Findest du nicht, du hättest mir Bescheid sagen sollen?«
»Ist mir wohl entfallen.« Sie erhob sich und brachte einen Stapel Papiere zum Aktenschrank.
Daisy trat vor, als sie eine Schublade öffnete. »Wem hast du sie verkauft? Wo ist sie jetzt?«
»Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst. Hast du nicht immer gesagt, wie unmenschlich unsere Menagerie ist?«
»Das heißt aber nicht, dass ich wollte, dass du Glenna an den Nächstbesten verkaufst. Ich will wissen, wo sie ist.«
»In einem neuen Heim.« Sie schob die Schublade zu.
»Wo?«
»Ich hab wirklich keine Lust, mich von euch verhören zu lassen.«
Alex legte Daisy die Hand auf die Schulter. »Warum gehst du nicht zur Menagerie zurück und überlässt mir das?«
»Weil ich wissen will, wo sie ist. Und, Alex, da sind Sachen, die der neue Besitzer unbedingt wissen muss. Glenna hasst laute Geräusche, und sie hat Angst vor Leuten mit großen Hüten.« Ein Kloß stieg ihr in den Hals, als sie an das sanfte Gorillaweibchen denken musste. Sie wünschte sich ein neues Zuhause für Glenna, aber sie hätte sich ebenso gern von ihr verabschiedet. Sie musste daran denken, wie das Gorillaweibchen sie immer gelaust hatte, und fragte sich, ob die neuen Besitzer das auch zulassen würden. Zu ihrer Verzweiflung merkte sie, wie ihr die Tränen kamen. »Sie liebt Pflaumen. Ich muss ihnen wegen der Pflaumen Bescheid sagen.«
Alex nahm ihren Arm. »Schreib einfach alles auf, Schätzchen. Ich sorge schon dafür, dass der neue Besitzer die Liste erhält. Und jetzt geh. Ich muss mit Sheba reden.«
Sie wollte protestieren, aber dann erkannte sie, dass Alex bessere Chancen hatte, Sheba zur Mitwirkung zu bewegen, wenn er allein mit ihr sprach. Sie ging zur Tür, wandte jedoch noch einmal den Kopf und musterte die Zirkusbesitzerin über die Schulter.
»Tu das ja nicht noch mal, hörst du? Das nächste Mal, wenn du vorhast, ein Tier zu verkaufen, will ich im voraus Bescheid wissen. Außerdem möchte ich dann mit dem neuen Besitzer reden.«
Sheba zog die Augenbrauen hoch. »Wo nimmst du bloß den Nerv her, mir Befehle zu erteilen?«
»Die Nerven hab ich. Sorg du bloß dafür, dass du meine Befehle auch mitkriegst.« Sie ging und ließ die beiden allein.
Einen Moment lang sagten weder Sheba noch Alex etwas. Er bezweifelte, dass Daisys kleine Rede Sheba eingeschüchtert hatte, war aber dennoch stolz auf seine Frau, dass sie sich gegen Sheba wehrte. Er betrachtete die Frau, mit der er einst ein Verhältnis gehabt hatte, und empfand nur Abscheu.
»Was ist los mit dir? Du warst immer hart, aber wenigstens nie grausam.«
»Ich weiß nicht, worüber du dich beschwerst. Du hasst die Menagerie mindestens ebenso sehr wie sie.«
»Komm, spiel nicht die Dumme. Du wolltest Daisy weh tun, und das ist dir gelungen. Du benutzt sie, um an mich ranzukommen, und das werde ich nicht zulassen.«
»Bild dir bloß nicht ein, dass du mir so wichtig bist.«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher