Küss mich Engel
aufgerichtet.
Doch heute war das alles zu Ende gegangen. Sie konnte nicht glauben, dass er sie abgewiesen hatte, nur um sich dieses nutzlose kleine Nichts zu suchen, und die Erinnerung an damals, als sie vor ihm auf den Knien lag und ihn unter Tränen anflehte, sie zu lieben, war wieder so frisch in ihr aufgestiegen, als wäre es gestern geschehen.
Und jetzt, rascher, als sie dies je für möglich gehalten hätte, wurde Alex dafür bestraft, und sie konnte wieder mit hocherhobenem Haupt einhergehen. Sie konnte sich keinen schlimmeren Schlag gegen seinen Stolz vorstellen als das hier. Ihre Demütigung war zumindest zwischen ihnen beiden und Owen geblieben, doch die seine vollzog sich vor aller Augen.
Sheba drehte ihr Autoradio voll auf und ließ sich von Hardrock überfluten. Armer Alex. Er tat ihr richtig leid. Er hatte die Chance, die Königin der Manege zu heiraten, verspielt und saß nun mit einer gewöhnlichen kleinen Diebin da.
Während Sheba Quest über den mondbeschienenen Highway raste, kauerte Heather Pepper mit angezogenen Knien hinter dem Airstream ihres Vaters, die dünnen Arme um die Brust geschlungen, die Wangen tränennaß.
Wie hatte sie nur etwas so Schreckliches tun können? Wenn ihre Mom noch leben würde, hätte sie mit ihr reden können, hätte erklären können, wie das alles einfach passiert war, wie sie die offene Geldschublade einfach gesehen hatte und wie sie Daisy hasste, und da war‘s eben einfach passiert. Ihre Mom hätte ihr geholfen, die Sache in Ordnung zu bringen.
Aber ihre Mom lebte nicht mehr. Und Heather wusste, wenn ihr Dad je herausbekam, was sie getan hatte, dann würde er sie für immer hassen.
8
»Da hamse die Schaufel, Miss«, sagte der Elefantenwärter. »Und hier is die Schubkarre. Mistense man den Anhänger aus.«
Digger, der sich für Neeco Martin, den Dompteur, um die Elefanten kümmerte, drückte ihr die Schaufel in die Hand und hinkte davon. Der alte Mann war gichtig und dürr. Seine Wangen waren eingefallen, weil er fast keine Backenzähne mehr hatte. Digger war ihr neuer Boss.
Daisy starrte die Schaufel benommen an. Das war ihre Strafe. Irgendwie hatte sie erwartet, dass Alex sie im Trailer einsperren würde, eine fahrende Gefängniszelle sozusagen, doch sie hätte sich denken können, dass es nicht so einfach werden würde.
Letzte Nacht hatte sie sich auf der Couch in den Schlaf geweint. Sie hatte keine Ahnung, wann er hereingekommen war oder ob überhaupt. So wie die Dinge standen, hätte er ebensogut die Nacht mit einem der Showgirls verbracht haben können. Verzweiflung wallte in ihr auf. Während der Fahrt heute vormittag hatte er kaum ein Wort mit ihr gewechselt, außer um ihr zu sagen, dass sie von nun an für Digger arbeiten würde und den Platz nicht ohne seine Erlaubnis verlassen dürfe.
Sie blickte von der Schaufel in ihrer Hand auf das Innere des Trucks. Die Elefanten waren bereits durch die weiten Schiebetüren an der Seite über eine Rampe aus dem riesigen Anhänger ausgeladen worden. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und ihr wurde speiübel. Haufen lagen da drinnen, riesige Haufen. Einige davon waren beinahe hübsch und ordentlich, mit Strohhalmen dazwischen. Andere dagegen waren von gigantischen Füßen zerquetscht worden.
Und der Gestank.
Sie wandte den Kopf ab und rang nach Luft. Ihr Mann hielt sie für eine Diebin und Lügnerin und hatte sie zur Strafe zur Arbeit mit den Elefanten verdonnert, obwohl er wusste, dass sie Angst vor Tieren hatte. Wieder warf sie einen Blick in den Anhänger.
Heilige Maria Mutter Gottes.
Eine tiefe Niedergeschlagenheit übermannte sie, und da wusste sie, dass sie versagt hatte. Sie konnte es einfach nicht. Andere Menschen schienen geheime Kraftreserven zu besitzen, aus denen sie in Krisenzeiten schöpfen konnten, aber sie nicht. Sie war schwach und nutzlos. Alles, was ihr Vater über sie gesagt hatte, stimmte. Alles, was Alex gesagt hatte. Sie war zu nichts nütze, außer zu oberflächlichem Partygeplauder, und das war wertlos in dieser Welt hier. Die späte Morgensonne brannte ihr auf den Kopf, und sie blickte tief in ihre Seele, konnte jedoch nicht mal das kleinste Quentchen Mut darin finden. Ich geh auf. Die Schaufel glitt ihr aus den Händen und fiel scheppernd auf die Rampe.
»Hast du endlich genug?«
Sie blickte auf Alex herunter, der am Fuß der Rampe stand. Sie nickte langsam.
Er blickte zu ihr hinauf, die Hände in die Hüften seiner ausgewaschenen Jeans gestützt. »Die Männer haben
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