Kuess mich - es ist Karneval
daß dies den geringsten Unterschied machen würde.”
“Natürlich hätte es das”, protestierte Ellen. “Ich bin schließlich nicht so unsensibel, daß ich mich über die Gefühle anderer Menschen hinwegsetze. Noch nie habe ich etwas getan, unter dem andere zu leiden gehabt hätten.”
“Ist das wirklich so?” erkundigte sich Roberto, und sie merkte, daß er wieder auf die Vergangenheit anspielte.
“Ja, so ist es wirklich!” erwiderte sie mit fester Stimme.
Roberto hatte seinen Blick auf sie gerichtet und schien gar nicht mehr zuzuhören.
“Können wir nicht losfahren?” fragte sie ungeduldig.
Die Waschanlage stand still, und das grüne Licht blinkte auf.
Aber Roberto hatte es nicht bemerkt, da er immer noch unverwandt auf Ellen sah.
Als der Wagen plötzlich losschoß, unterdrückte Ellen ein Lächeln. Ihr topasfarbener Bikini ließ sie zwar weitaus angezogener erscheinen als die meisten jungen Frauen am Strand in ihren Tangas, trotzdem enthüllte er genug, um Roberto zu begeistern.
“Wenn du dir das Handtuch über die Schultern legen würdest, wäre dir bestimmt wärmer”, schlug er vor, als sie nach Hause fuhren.
“Ich fühle mich sehr wohl”, antwortete sie ihm lachend.
Ellen hob ihr schweres blondes Haar mit einer Hand hoch.
Eine kleine Brise wehte und kühlte ihren Nacken.
Sie saßen im Mondlicht draußen neben einem großen Swimmingpool. Doch von den vielen Menschen auf der Tanzfläche ging eine spürbare Hitze aus.
Ellens Lippen zuckten. Die Mischung aus wirbelndem Rhythmus, wilder Kamevalsstimmung und viel nackter Haut heizte die Luft auch erotisch auf.
Ellen war nicht immun gegen diese Schwingungen. Sie warf einen Blick auf Roberto, der sich angeregt mit Anna unterhielt -
auch er war es nicht. An diesem Abend hatten sie eng umschlungen miteinander getanzt, hatten sich lachend umarmt, und selbst jetzt, während er mit Anna sprach, hielt er Ellens Hand.
Sie musterte Roberto verstohlen von der Seite. Er trug ein weißes Baumwollhemd, dessen Ärmel er bis zum Ellbogen aufgerollt hatte, und knappe Shorts aus blauem Jeansstoff, die seine schmalen Hüften betonten und seine braunen Schenkel mit den dunklen Haaren entblößten. Ellens Pulsschlag wurde schneller. Das zerzauste dunkle Haar, das Roberto in die Stirn fiel, verlieh ihm ein wildes Aussehen, das in ihr eine nie gekannte Erregung auslöste.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der festlich beleuchteten Tanzfläche zu. Diese berauschende Mischung aus Glanz und Ausgelassenheit gab dem Wort “Nachtleben” eine ganz neue Bedeutung. Da gab es Frauen, die nur mit BH und Strumpfbandhöschen oder mit engen Korsagen und äußerst sparsamer Unterwäsche bekleidet waren. Dazu gab es entsprechend angezogene Männer. Ellen entdeckte in der Menschenmenge Transvestiten mit Masken und Eisenketten, einige Möchte-Gern-Tarzans, die nichts außer einem Suspensorium aus Leopardenfell trugen, und junge Frauen, die am ganzen Körper bemalt waren und gewisse delikate Stellen mit Pailletten beklebt hatten.
Anfangs war Ellen über die gewagten Kostüme schockiert gewesen, doch nach und nach gewöhnte sie sich daran. Ganz gleich, wen die Kostüme darstellen sollten, sie hatten eines gemeinsam: Sie enthüllten weitaus mehr, als sie verdeckten.
Egal, ob schlank oder üppig, den Frauen auf diesem Fest schien es Spaß zu machen, sich zur Schau zu stellen.
Ellens Blick schweifte weiter über die wogende Masse, doch nirgends konnte sie Roscoe Chard entdecken.
“Möchtest du noch ein Glas Wein?” fragte Marco, der neben ihr saß.
Ellen lächelte. Er war ein freundlicher, untersetzter Mann Ende Dreißig, der es sich offenbar zur Aufgabe gemacht hatte, sich persönlich um sie zu kümmern.
“Vielen Dank, aber ich möchte diesmal lieber Mineralwasser trinken”, erklärte sie ihm.
“Niemanden kümmert es, wenn du ein bißchen beschwipst bist”, beruhigte er sie und füllte ihr Glas. “Wichtig ist nur, daß du dich dabei gut amüsierst.”
“Das tue ich”, versicherte Ellen ihm aufrichtig.
Als sie sich für den Ball zurechtgemacht hatte, war sie unsicher gewesen, ob sie sich nicht wie eine Außenstehende zwischen all den langjährigen Freunden Robertos fühlen würde.
Aber man hatte sie mit offenen Armen willkommen geheißen.
Leila und Nilson, die als Engel und Teufel verkleidet waren, hatten für eine Weile in England gelebt und waren glücklich, alte Erinnerungen aufzufrischen. Anna und Marco waren warmherzig, humorvoll und herrlich
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