Kuess mich - es ist Karneval
hatte, schrieb sie Roberto einen Zettel, auf dem sie ihm mitteilte, daß sie nach Ipanema gehen wolle.
Nach einem ausgiebigen Sonnenbad war sie jetzt auf dem Heimweg. Sie hatte eine Parallelstraße zu ihrem gestrigen Weg genommen und stand plötzlich vor dem Autosalon, durch dessen große Schaufensterscheibe sie ein metallicgrünes Moreira-Kabriolett mit cremefarbenem Schiebedach sah.
Ellen betrat den Salon durch die doppelte Schwingtür. Um den Wagen zu fotografieren, reichten zwar die Lichtverhältnisse aus, aber der Standort war denkbar schlecht. Das Kabriolett stand in der Mitte der letzten Reihe zwischen zwei Sportwagen, wodurch es unmöglich war, ein gutes Foto von ihm zu machen.
Ellen ging einige Schritte weiter.
“Boa tarde”, wurde sie auf portugiesisch begrüßt.
Von einem Schreibtisch im Hintergrund des Raumes stand ein junger Mann auf und spulte die üblichen
Begrüßungsfloskeln ab, aber er sprach so schnell, daß sie ihn beim besten Willen nicht verstand.
Als er direkt vor ihr stand, lächelte Ellen ihn strahlend an und fragte ihn in ihrem besten Portugiesisch, ob er auch Englisch spreche.
Der Autoverkäufer nickte. “Aber sicher”, sagte er stolz.
“Ich möchte gern ein Foto von diesem Wagen machen”, erklärte sie ihm und zeigte auf den Moreira.
“Sie wollen fotografieren?” fragte der Verkäufer erstaunt.
Ellen setzte ihr gewinnendstes Lächeln auf. “Wären Sie damit einverstanden?”
Der Mann lächelte verlegen. “Nur fotografieren?” Er war offensichtlich verwirrt.
“Ja. Ich bin bereits mit diesem Wagen gefahren, und ich möchte ihn nicht kaufen.”
“Nicht kaufen?” Der Mann sah noch verwirrter aus.
“Wissen Sie, ich komme aus England …” Ellen zögerte. Wie kann ich ihm nur klarmachen, was ich will, ohne die Situation noch mehr zu komplizieren, überlegte sie. “Ich bin nämlich Teilhaberin und …”
“Teilhaberin?”
Ellen nickte. “Ja, ich besitze Aktien dieser Autofirma”
“Oh”, der junge Mann rieb sich die Nase, “verstehe. Bitte, machen Sie Fotos. Machen Sie viele Fotos!”
“Vielen Dank! Doch da gibt es noch ein Problem. Wäre es wohl möglich, diesen Wagen”, sie deutete auf das Kabriolett,
“ins Freie zu fahren?” Noch einmal bedachte Ellen den jungen Mann mit einem strahlenden Lächeln. “Por favor!” fügte sie auf portugiesisch hinzu.
“Klar, Lady, wird gemacht”, antwortete der Verkäufer. Ellen vermutete, daß er sein Englisch hauptsächlich durch amerikanische Westernfilme gelernt hatte. “Ich hole die Schlüssel”, sägte er entschuldigend und verschwand durch eine Hintertür.
Allein gelassen, schlenderte Ellen zwischen den Wagen durch den Ausstellungsraum. Langsam ging sie in den vorderen Teil des Raumes und sah hinaus. Plötzlich hörte sie das laute Quietschen von Autobremsen. Auf der Straße sah sie ein Auto, bei dessen Anblick sich ihr Magen zusammenzog. Es war ein scharlachrotes Kabriolett, und der Fahrer kam direkt auf den Autosalon zu. Es war Roberto! Ellens Herz schlug verdächtigschnell.
“Ich habe dich überall gesucht”, rief Roberto ihr zu, als er durch die Schwingtür hereinkam. “Was ist los? Hast du dich verlaufen und wolltest hier nach dem Weg …?” Er beendete den Satz nicht, denn er hatte das grüne Kabriolett entdeckt.
“Was für eine Nummer ziehst du denn hier ab?” fragte er und seine Stimme klang scharf.
Ellen hob das Kinn. “Ich ziehe überhaupt keine Nummer ab”, wies sie ihn sachlich zurecht. “Ich wollte lediglich ein Foto von dem Moreira-Kabriolett machen.”
“Du scheinst fest entschlossen zu sein, dich überall einzumischen, ganz gleich, welchen Schaden du damit anderen Menschen zufügst!”
Sie runzelte die Stirn. Auch wenn es so schien, als ob Roberto nur die momentane Situation meinte, hatte sie den Eindruck, daß sich seine Bemerkung auch auf die Begebenheit vor zehn Jahren bezog.
“Du würdest mich jetzt wohl am liebsten verprügeln, wie?”
Roberto lächelte steif. “Du reizt mich besser nicht”, sagte er mit drohendem Unterton.
Er hörte abrupt auf zu sprechen, als er im Hintergrund Stimmen vernahm. Der Verkäufer kam in Begleitung eines älteren Mannes zurück. Auf dem Weg zum Kabriolett winkte er Ellen zu. Als er bemerkte, daß sie zu ihm hinübersah, erschien ein breites Lächeln auf seinem Gesicht. Ellen lächelte zurück.
Wie schon zuvor war sein Portugiesisch für sie völlig unverständlich, nur die Namen “Rolls-Royce”, “Jaguar” und
“Bentley”
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