Küss mich später: Marsden 1 - Roman (German Edition)
mit mir zu freuen«, flachste Cara, wohl um ihn aus seinem Stimmungstief zu holen.
»Das ging nicht gegen dich.« Damit erhob er sich und marschierte hinaus, ohne die beiden auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.
»Gib ihm ein bisschen Zeit«, sagte Sam zu Cara, sobald sein Bruder außer Hörweite war. »Wenn es um seinen leiblichen Vater geht, kommt unweigerlich seine schlimmste Seite zum Vorschein.«
Cara biss sich auf die Unterlippe. Mike tat ihr leid, obwohl ihr sonnenklar war, dass er auf derartige Emotionen durchaus verzichten konnte. »Bevor wir die Ermittlungen zu diesem Fall aufgenommen haben, war mir gar nicht bewusst, dass Simon ihn adoptiert hat.«
»Meine Eltern haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, weder gegenüber Mike noch vor uns anderen. Sie haben ihm stets zu verstehen gegeben, dass sie ihn beide lieben, und mein Dad – unser Dad, Simon war immer unser Dad – hat ihm nie einen Grund geliefert, daran zu zweifeln. Er hat ihn kein bisschen anders behandelt als Erin und mich. Kein Wunder also, dass du es nicht wusstest.«
»Verstehe. Familien sind eben kompliziert.« Cara dachte an ihre eigenen Eltern. »Meine Mutter hat mich übrigens für heute Abend zum Essen eingeladen.«
Sam blinzelte überrascht. Er wusste, dass sie so gut wie gar keinen Kontakt zu ihren Eltern hatte, obwohl sie in derselben Stadt lebte.
»Hast du die Einladung angenommen?«
Cara schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe gesagt, was ich immer sage: Erst wenn sie sich endlich von ihm trennt. Ich habe ihr sogar meine Hilfe angeboten. Ich würde sie sofort abholen und nach Havensbridge bringen, falls sie sich irgendwann dazu entschließen sollte.« Havensbridge war das städtische Frauenhaus, in dem Cara hin und wieder ehrenamtlich aushalf.
»Und, wie hat sie reagiert?«
»Wie immer. Sie hat die Bemerkung übergangen und das Thema gewechselt.«
Sam seufzte. »Das tut mir leid.«
»Ich bin es gewohnt. Leider.«
Sie erhob sich. »Ich lasse dich jetzt in Ruhe, damit du dich etwas ausruhen kannst. Ich muss noch einiges erledigen.«
»Danke. Und noch einmal danke dafür, dass ich hier wohnen kann. Spätestens am Sonntagabend mach ich die Fliege. Der Arzt meinte, ab Montag benötige ich keine Betreuung mehr.«
»Ich finde es eigentlich ganz schön, Gesellschaft zu haben.«
»Und ich verlasse mich darauf, dass du mich auf dem Laufenden hältst, was die Ermittlungen angeht. Auf Mike kann ich diesbezüglich wohl kaum zählen. Aber du wirst ohnehin jemanden brauchen, mit dem du dich beraten kannst und bei dem du dich abreagieren kannst, solange er dein Partner ist.«
Cara zwang sich zu lächeln. »Keine Sorge, ich komme schon mit ihm klar. Und wag es ja nicht, noch einmal hinter meinem Rücken mit ihm über mich zu reden. Ich weiß es zu schätzen, dass du dir meinetwegen Sorgen machst, aber auf erzwungene halbseidene Entschuldigungen von deinem Bruder kann ich verzichten.« Normalerweise hätte sie Sam deswegen ordentlich den Kopf gewaschen, aber in Anbetracht der Umstände ließ sie ausnahmsweise Milde walten.
Sam wirkte keineswegs verlegen. »Eine halbseidene Entschuldigung? Mehr hat er nicht zustande gebracht?«, fragte er missbilligend.
»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten«, ermahnte Cara ihn.
»Tut mir leid, dass du jetzt gezwungen bist, so eng mit ihm zusammenzuarbeiten.« Sam hatte die Stirn in Falten gelegt, und die Verärgerung über seinen lädierten Zustand war ihm deutlich anzusehen.
»Wie gesagt, ich komme schon mit Mike zurecht.« O ja.
Aber erst musste sie lernen, seine Launen richtig einzuschätzen, und herausfinden, was dahintersteckte.
Bei seinem Besuch vor drei Monaten war er wie ein offenes Buch für sie gewesen – ein Mann, der genauso darauf gebrannt hatte, mit ihr zu flirten und ins Bett zu gehen wie sie mit ihm. Doch seit seiner Rückkehr wirkte er meist mürrisch und verstimmt, und Cara wusste nie so recht, ob das an seinen beruflichen Verpflichtungen oder an der Krankheit seines Vaters lag, ob an ihrer Gegenwart oder daran, dass ihn die Umstände gezwungen hatten, für eine unbestimmte Zeit nach Serendipity zu kommen.
Tja, da sie künftig zusammenarbeiten würden, musste sie den Grund für seine ständige Verdrießlichkeit eruieren, denn sie zu ignorieren war schlicht unmöglich, und außerdem ertrug Cara es nicht, gefühlsmäßig so in der Luft zu hängen. Schon gar nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand – nicht zuletzt ihre eigene psychische Gesundheit.
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