Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
Truhe aus Zedernholz am Fußende, eine einzelne überdimensionale Kommode, ein Stuhl – 17. Jahrhundert -, am Fenster ein dreibeiniger Tisch mit einer blühenden Azalee, die er vorher noch nie gesehen hatte und die von Sylvia dort hingestellt worden sein musste.
Die Wände waren in demselben nichts sagenden Beige gestrichen wie das übrige Obergeschoss. Die Vorhänge waren abgelegte Vorhänge von seiner Schwester Allie. Er hatte sich nie die Zeit genommen, neue zu kaufen. Außer zwei ausgeblichenen Kunstdrucken aus seiner ersten Wohnung und einem Drahtgebilde, das sein jüngerer Bruder in der zehnten Klasse im Kunstunterricht gebastelt hatte, waren die Wände kahl und ließen jede persönliche Note vermissen.
»Das ist ein wunderschönes antikes Bett«, bemerkte Gillian, während sie die Hand über das Mahagoniholz des Bettes gleiten ließ. Sie warf ihm von der Seite einen Blick zu. Ihre Augen waren plötzlich ernst und schimmerten dunkelgrün. »Sam, ich kann Sie nicht einfach aus Ihrem eigenen Bett vertreiben.«
Er versuchte die Dinge zu bagatellisieren. »Stellen Sie sich einfach vor, es wäre nicht mein Bett, sondern das meiner Großeltern. Als sie vor einigen Jahren nach Florida gezogen sind, habe ich einen ganzen Schwung ihrer Möbel geerbt.« Zur Sicherheit fügte er hinzu: »Meine Großmutter wollte plötzlich weiße Korbmöbel für ihr neues Domizil in Saint Petersburg.«
»Ich finde, weiße Korbmöbel …«
»… sind ein drastischer Stilwechsel im Vergleich zu Mahagoni?«
Sie zog die Mundwinkel leicht nach oben: »Ich wollte sagen: passen gut nach Florida.«
Sam folgte seiner Klientin zurück ins Erdgeschoss. »Ich glaube, den Keller können wir uns sparen. Ich bezweifle, dass Sie sich unbedingt dort hinunterwagen wollen.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Mäuse?«
»Unter anderem.« Er räusperte sich. »Nach hinten raus befinden sich noch eine einzeln stehende Garage und ein großer abgezäunter Garten mit einigen alten Platanen und einem verwilderten Gemüsegarten. Ich bin kein Gärtner, aber im Sommer gibt er immer noch ein paar Gurken oder Tomaten her. Tun Sie sich keinen Zwang an, und bedienen Sie sich einfach.« Er öffnete die Fliegentür und trat auf die handtuchgroße Rückveranda hinaus.
Gillian stellte sich neben ihn. »Was befindet sich hinter dem Zaun?«
»Ein kleiner Teich.«
»Und dahinter?«
»Ein Maisfeld. Dann ein Sojafeld und noch ein Maisfeld und schließlich die State Road 3.«
Gillian spähte in die Dunkelheit und schwieg ein, zwei Minuten lang, bevor sie langsam sagte: »Es ist so …«
»Einsam.«
Sie nickte. »Und ruhig.«
»Ja, es ist hier wirklich ruhig.« Sam konnte sich vorstellen, was sie beunruhigte: Es war ihr eindeutig zu ruhig. »Als ich das erste Mal von New York weg war, habe ich sehr schlecht geschlafen. Kein Verkehr, keine Polizeisirenen, kein Stadtlärm, praktisch überhaupt keine nächtlichen Geräusche außer dem Wind in den Platanen, dem Zirpen der Zikaden und ab und an mal das Quaken eines Froschs vom Teich her. Sie werden sich daran gewöhnen.«
Er fragte sich, ob sie sich wirklich daran gewöhnen würde. Manche taten das nie.
»Ach, übrigens«, sagte er, als sie wieder hineingingen, »ich werde Ihnen meine Handynummer geben. Damit können Sie mich zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen.« Er zog eine Visitenkarte heraus und schrieb schnell die Nummer für sie auf. »Rufen Sie mich an, wenn Sie irgendwelche Fragen haben. Oder auch, wenn Sie sich einfach nur unterhalten wollen. Wenn man in einer fremden Stadt und in einem fremden Haus und in einem fremden Bett ist, fühlt man sich manchmal …«
»… fremd«, vervollständigte Gillian den Satz.
Er lächelte. »Ja.«
»Danke, Sam.« Sie ließ die Visitenkarte in ihre Handtasche gleiten.
Als er schließlich an der Haustür stand, die Hand schon auf dem antiken Messingknauf, traf ihn plötzlich die Erkenntnis, dass er Gillian Charles nur ungern allein zurückließ. Er hatte eigentlich fest vorgehabt, Gute Nacht zu wünschen, direkt zu seinem Wagen zu gehen, einzusteigen und davonzufahren. Stattdessen drehte er sich noch einmal um. »Ich weiß, Sie müssen müde sein.« Sie sah erschöpft aus.
»Ein bisschen.«
»Aber da es Ihr erster Abend in Sweetheart ist und Ihr Kühlschrank nicht viel hergibt – würden Sie vielleicht mit mir zusammen einen Happen zu Abend essen gehen? Es ist nicht weit von hier, lediglich die Straße hinunter zu dem Pub dort hinten. Nur auf ein Sandwich. Wirklich
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