Kuess mich toedlich
näherzukommen. Es war einfach so passiert. Als er in ihrer Wohnung auf sie und den versprochenen Tee gewartet hatte, war die Schlaflosigkeit der vergangenen Nächte über ihn gekommen. Erst in ihrer Nähe gelang es ihm nicht mehr, dagegen anzukämpfen. So lange und gut hatte er seit Ewigkeiten nicht geschlafen. Ben hatte sogar geschmunzelt, als er wach geworden war und Sarah neben ihm zusammengesunken auf der Couch vorfand. Ein verschütteter Instinkt erwachte, als er sie zurechtgelegt, zugedeckt und alles getan hatte, um sie nicht zu wecken. Er hatte keine Ahnung, wie er nun mit ihr umgehen sollte. Also hatte er lieber die Flucht angetreten. Vorerst. Zuvor hatte er noch eine kurze Nachricht hinterlassen.
Weihnachten stand vor der Tür und die Stadt schien plötzlich zu wuseln. Auch der Buchladen war gut besucht. Ben bekam deshalb keine Möglichkeit, sich während seiner Kaffeebesuche ungestört mit Sarah zu unterhalten. Das nervte ihn. Er mochte die Weihnachtsstimmung nicht. Zu so etwas hatte er keinen Bezug. Die Weihnachten im Heim waren trostlos und unspektakulär. Später, während der Ausbildung der Familie, gab es solche Sachen nicht. Jetzt war alles voller Familien und glücklicher Menschen, was Ben schwer aufs Gemüt schlug.
*
Sarah fand die überall verbreitete Weihnachtsstimmung eher deprimierend, aber irgendwann gab sie nach, wie jedes Jahr, seit sie nicht mehr zu ihrem Vater und seiner neuen Familie fuhr, und machte sich später aber doch daran, einen Baum zu kaufen. Zum Glück musste sie dazu nicht weit gehen. Am Ende des Viertels befand sich ein kleiner Verkaufsstand mit den verschiedensten Tannen. Sarah hatte den Laden Anna Maria anvertraut und ihr mit mulmigem Gefühl sogar den Ladenschluss übertragen. Um diese Jahreszeit war mit ihr noch weniger anzufangen als sonst. Jede Woche zwei bis drei Weihnachtsfeiern, auf der sie jedes Mal in Begleitung eines anderen Mannes eine Möglichkeit fand, sich köstlich zu amüsieren und königlich danebenzubenehmen. Sarah wünschte, sie würde diese Geschichten nicht immer serviert bekommen und noch mehr wünschte sie sich, dass sie darüber hinaus nicht auch noch die Wahrheit sehen müsste, wenn es zu einer zufälligen Berührung mit Anna Maria kam. Dieser Wunsch blieb unerfüllt. Weihnachten änderte nichts daran.
Endlich hatte Sarah den Baum mit der perfekten Größe für ihre Wohnung entdeckt, als Ben hinter einer Silbertanne auftauchte. Sie wollte nicht lächeln oder bemerken, wie gut er mit den vor Kälte geröteten Wangen aussah, aber beides war nicht zu verhindern. Er lächelte nur leicht, als er sie entdeckte. Seine Hände steckten ohne Handschuhe in seinen Jeanstaschen. Er war viel zu dünn für dieses Wetter angezogen. Schließlich schneite es schon den ganzen Tag.
»Wenn du weiterhin so rumläufst, ohne Schal und Handschuhe, holst du dir spätestens bis Neujahr eine Lungenentzündung«, begrüßte sie ihn. Bei Ben wurde sie seltsam selbstbewusst, fast normal.
»Ich werde daran denken, wenn ich das nächste Mal aus dem Haus gehe, aber jetzt bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als es durchzustehen«, gab er grinsend zurück.
Sarah dankte dem Wetter, weil die klirrende Kälte nicht erkennen ließ, dass sie bei Bens Anblick rot wurde. Sein athletischer Körper und sein Gesicht lösten bei ihr ein unbekanntes Sehnen aus.
»Hast du gefunden, was du gesucht hast ?« , fragte er und tätschelte die Äste ihrer Tanne.
»Ja, der Wuchs stimmt. Er hat die perfekte Größe und gefällt mir .«
»Aber an eins hast du nicht gedacht. Wie eine kleine, zierliche Person wie du dieses Ungetüm die vielen, vielen Straßen nach Hause schaffen soll.«
»Ich schätze, du hast schon eine passende Lösung parat«, warf Sarah ihm scherzend entgegen. Sie mochte es, wenn sie so miteinander sprachen.
»Ich dachte dabei an mich, ja. Aber ich erwarte eine Gegenleistung in Form von Koffein. Na, was ist? Kommen wir ins Geschäft ?« Abwartend wippte er hin und her.
»Einverstanden. Aber nur, wenn du dabei meine Handschuhe trägst.« Sie stemmte die Hände in die Hüften.
Er lachte gut gelaunt und nahm ihre Handschuhe entgegen. Missmutig verzog er das Gesicht, als er die roten Handschuhe überstreifte. Sie waren sichtlich zu klein.
Sarah grinste, weil sein verletzter Stolz so unwiderstehlich und komisch war.
Er hievte sich den Baum auf die Schulter. »Ich hoffe, dass du für dich behältst, dass ich Mädchenhandschuhe getragen habe .«
»Fest
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