Kuess mich toedlich
wieder einen Blick in mich werfen könntest. Hass ist das Letzte, was ich für dich empfinde und ich empfinde eine ganze Menge für dich .« Plötzlich fühlte sich die Umarmung weniger tröstlich, sondern vielmehr intim an. Doch da begann sie, sich bereits sanft von ihm zu lösen.
»Ich kann im Moment nicht über meine Gefühle für dich sprechen. So weit bin ich noch nicht. Ich versuche immer noch, das alles auf die Reihe zu kriegen .«
Er zuckte mit den Schultern, was ihm selbst total verlogen vorkam, und ließ sich müde neben Sarah nieder. »Ich glaube, ich weiß, woran es liegt, dass du nichts von mir empfangen kannst«, meinte er und schloss die Augen. Er konnte ihre Blicke auf sich fühlen und sprach weiter. »Schon bevor ich zur Familie kam und man mich brach, schindete und an mir herummanipulierte, habe ich gelernt, eine innere Mauer zu errichten, die alles und jeden abschirmt. Nur so konnte ich das Heim, die Erzieher und die Familie überleben, ohne mich selbst und meine grundlegende Menschlichkeit zu verlieren. Später dann, auf der Akademie der Familie, brachten sie uns bei, wie wir unseren Verstand selbst unter Folter komplett vor Beeinflussung abschirmen können und wie wir Psychos – so nannten wir die psychisch begabten Entarteten – aussperren können, um uns, Informationen und vor allem die Familie zu schützen. Mit der Zeit werden diese Mechanismen ein Teil des eigenen Instinkts. Man setzt sie nicht mehr bewusst ein, verstehst du? Aber im Kino …Daniel, der Junge, der gestorben ist, war einer der wenigen Menschen, die es irgendwie geschafft haben, mir nahezukommen, mir etwas zu bedeuten. Erst nach ihm habe ich begonnen, die Mauer zu errichten .«
Sarah legte die Hand auf seine warme Brust, was er mit einem feinen Brummen hinnahm. »Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet wir einmal etwas gemeinsam haben. Der Mörder und sein Opfer. Zwei isolierte Menschen, deren ganzes Leben von Angst bestimmt wird.«
Sarahs Stimme hatte elend geklungen und doch fühlte Ben sich ihr jetzt näher. Der gemeinsame Schmerz verband sie mit ihm. »Es ist so seltsam und ich kann es mir nicht erklären, Sarah. Aber du erinnerst mich an ein kleines Mädchen, das mal sehr nett zu mir war, obwohl sie es nicht musste .«
»Wer war sie ?« Sarah sah ihn neugierig von der Seite an.
»Die Tochter der Hausärztin, am Ort der verdammten Kinder.« Er lachte trocken auf. »So nannten wir die Einrichtung, in die sie uns Schwererziehbare steckten .«
»Wieso bist du dort gelandet ?«
»Daniel«, sagte er fest. »Ich hatte den Jungen zusammengeschlagen, der ihn getötet hat, aber sie haben mir nicht geglaubt. Für sie musste es ein Unfall sein, auch wenn dadurch dieses Monster, das Daniel umgebracht hat, freikam. Das Heim konnte sich keinen Skandal erlauben. Also wurde alles vertuscht und sie haben mich zu den Schwererziehbaren gesteckt. Merkwürdigerweise gab es viele Parallelen zwischen den Heimen und der Ausbildung der Familie. Aber dort wurde es für mich schlimmer, wie so oft. Auf manche Dinge im Leben kann man sich verlassen, wie: Schlimmer wird’s immer! …Egal, in welchem Alter man sich befand, Kind war man keines mehr, sobald die Tür hinter einem zufiel. Jeden Tag geriet ich in eine Schlägerei oder wurde nachts attackiert, weil ich mich weigerte, mich unterzuordnen und den Anführern zu gehorchen. Deshalb landete ich oft bei der Ärztin. Sie kam zweimal die Woche und bei Notfällen. Sie war der einzig anständige Mensch in der ganzen Einrichtung. Die Aufseher hassten uns und ihren Job, aber sie nicht. Sie wollte nur helfen. Aber eines gilt in jedem Heim und in jedem Gefängnis. Man schweigt so lange, bis man rauskommt. Man traut niemandem, auch denen nicht, die einem anscheinend nur helfen wollen .« Sarah schien großes Mitleid mit ihm zu empfinden, hielt sich aber zurück, wofür Ben ihr dankbar war. Wenigstens etwas Stolz wollte er sich bewahren. »Jedenfalls brachte sie manchmal auch ihre Tochter mit, wenn sie mal wieder dabei war, mich zusammenzuflicken. Einmal musste ich länger warten und das Mädchen mit den blonden Locken, das fast wie ein Engel in dieser kargen Hölle aussah, kam auf mich zu und wollte mir ihr Computerspiel anbieten. Ich sah sie misstrauisch an und schüttelte den Kopf. »Deine Mutter wird sicher nicht wollen, dass du mit einem von uns hier sprichst .«
Sie sah mich belustigt an. »Wieso denn?«
»Weil wir hier nur Abschaum sind und nichts taugen. Das ist kein Umgang für ein
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