Kuess mich toedlich
dort wie eine Anklage. Gesucht: Verräter und Flüchtige. Ruckartig riss Sarah die Sonnenbrille von ihren Augen. Ben sah sie scharf an.
»Auf diese Weise finden sie uns überall …Im Internet gibt es etwas Ähnliches. Ich habe es nachgeprüft. Manchmal, wenn ich Besorgungen in der Stadt mache, nutze ich ein paar Internetcafés .«
»Wir sind erledigt«, keuchte Sarah.
»Nein, sind wir nicht .« Ben wich ihrem Blick aus, was ihr nur zu deutlich sagte: Wir sind so was von erledigt!
»Wir sollten uns von Ballungszentren fernhalten. Für die nächsten Wochen zumindest …Verstehst du jetzt, wieso ich dich nie mitnehme, wenn ich in eine Stadt fahre, wieso ich ständig die Städte wechsle, in denen ich unsere Besorgungen mache? Wieso wir kein Handy, kein Notebook oder sonst ein Gerät, das aufgespürt werden kann, im Kastell haben und wieso ich nur Schrottkisten anschleppe, anstelle von Neuwagen mit GPS? Warum ich unsere Sachen in Secondhandläden kaufe und nicht in großen Ladenketten mit Überwachungskameras? Und wieso du diese Barbieperücke und ich diesen kratzigen Schnauzer tragen muss, vor allem, wenn wir zusammen in der Öffentlichkeit unterwegs sind?«
Sarah nickte. Wie viele gefährliche Männer kannten ihr Gesicht? Sie wusste es nicht. Wollte es auch gar nicht wissen. Sarah wollte nur wieder zurück in das alte Kastell, welches ihr zumindest die Illusion von Sicherheit gab.
Seit Sarah die Aufspür- und Verfolgungsmethode der Familie mit eigenen Augen gesehen hatte, gelang es ihr nachts nicht mehr, einzuschlafen. Selbst Ben, der sonst immer nach ihr eingeschlafen war, war bereits weggedämmert und wärmte ihr gemeinsames Bett, wenn sie noch wach lag. Nach Mitternacht wurde ihr bewusst, dass es zwecklos war. Leise schlich sie ins Bad, um sich ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Wenn schon kein Schlaf, dann könnte sie sich zumindest etwas erfrischt fühlen. Sie entzündete eine Kerze. Doch kaum hatten ihre Finger das Wasser in der Waschschüssel berührt, sah sie aus den Augenwinkeln eine flinke Bewegung in der Ecke. Sofort hämmerte ihr Herz hart gegen ihre Brust. Sie suchte jeden Winkel des Bades ab. In den löchrigen Wandteilen, wo der Putz größtenteils fehlte, saß eine Ratte, die ihren kleinen ekligen Kopf in Sarahs Richtung hielt. Die Nase des Viehs zuckte heftig.
*
Ein panischer Schrei zerfetzte die Stille. Ben riss die Augen auf und stürmte ins Bad, in dem er die zitternde und schreiende Sarah entdeckte. Sie starrte auf eine kleine Ratte, die aufgedreht hin- und herlief. Blitzschnell hob er eine Schüssel auf, die vor ihm auf dem Boden lag, und stülpte sie der Ratte über. Der dicke Stein, der als Türstopper diente, hielt sie gefangen. Doch Sarah schrie in Angst und Schrecken weiter. Ohne zu wissen, was vor sich ging, packte er Sarah, die in die Wanne geflüchtet war, nahm sie auf die Arme, während sie zitterte wie Espenlaub, und brachte sie in die Küche. Je weiter sie von der Ratte weg war, desto weniger angespannt schien ihm ihr Körper. In der Küche hatte sie endlich mit Schreien aufgehört, doch sie zitterte immer noch am ganzen Leib. Ihre Reaktion schien ihm extrem. »Geht’s wieder ?« Sie nickte schwach und sah verdammt müde aus. »Denkst du … Willst du versuchen, zu schlafen ?« Wieder nickte sie.
Sobald sie im warmen Bett lag, brachte er schnell die Ratte nach draußen und legte sich zu Sarah. Zu seiner Überraschung zog sie ihn fest an sich.
»Ich hasse Ratten! Ich hasse sie mehr als alles andere«, flüsterte sie.
Schon als das Wort Ratte über ihre Lippen kam, sah Ben eine deutliche Gänsehaut über ihre Arme laufen. Ohne sie zu sehr zu bedrängen, legte er sich zu ihr und nahm sie fest in die Arme. Instinktiv strich er ihr übers Haar. »Du kannst es mir erzählen .«
Sarah schmiegte sich fest an ihn. Ließ ihren Kopf auf seiner Schulter ruhen. Die Situation war sehr angespannt, dennoch konnte Ben eine Welle der Anziehung nicht leugnen.
»Die Kinder damals in der Schule … Sie mochten mich nicht. Sie fanden mich anders, merkwürdig. Sie haben mich eingesperrt … Da waren Ratten. So viele Ratten! Auf mir …« Sarah verlor den Faden ihrer zusammenhanglosen Wortfetzen. »Ich möchte nicht mehr daran denken«, flehte sie ihn an.
Ben wusste genau, wie es war, wenn man Dinge mit sich rumschleppen musste, die andere einem angetan hatten, und alles tun würde, um sie endlich vergessen zu können. Deshalb zog er Sarah noch fester an sich,
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