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Kuess mich toedlich

Kuess mich toedlich

Titel: Kuess mich toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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nicht, weil es mir jemand befohlen hat .«
    Sie dachte lange nach, zog die Decke höher. Der Moment dehnte sich aus. »Ich glaube dir. Ich weiß nicht, wieso. Aber ich glaube dir .« Sie wickelte sich fester in ihre Strickjacke.
    Ben konnte seine Freude darüber kaum fassen. »Wieso?«
    »Wenn du manchmal mit mir sprichst, dann bekommt deine Stimme einen ganz anderen, eigenen Klang. Sie klingt dann sehr aufrichtig und dann weiß ich irgendwie, dass es die Wahrheit ist. Meistens jedenfalls.«
    Ben war irritiert. Das bedeutete, er hatte eine eindeutige Schwäche, die ihm nie an sich aufgefallen war. In Gedanken ging er seine Gespräche mit ihr durch und ja, da fiel es ihm auch auf, dass er ab und zu, wenn er ihr etwas sagte, anders sprach als sonst. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. »Vielleicht ist das ganz fair, weil ich ja auch immer weiß, wann du mich anlügst und wann nicht«, meinte er grübelnd.
    Sie drehte sich reflexartig zu ihm um und sah panisch aus. Ihr rotes Haar glänzte dunkel im Schummerlicht.
    »Immerhin wurde mir jahrelang beigebracht, die Körpersprache von Menschen zu analysieren. Ich kann es nicht abstellen. Daher weiß ich auch, dass du mich mehr als nur einmal belogen hast«, stellte er nüchtern fest.
    Sarah schoss Röte in die Wangen.
     
    *
     
    Wusste er es? Sollte sie es ihm sagen oder würde er sie dann nicht mehr beschützen? Würde es seine Gefühle ändern oder gar beenden?
    Sie erinnerte sich an den Moment ihrer Kindheit, in dem das Vertrauen in andere Menschen für sie gestorben war und der sie dazu gebracht hatte, ihr Geheimnis zu hüten.
    Sarah war noch ein kleines Mädchen gewesen, kaum elf Jahre alt, als sie von ihren Mitschülern durch den Flur geschleift worden war. Ihr Herz hatte laut geschlagen, erschrocken blickte sie sich um, als würden zahlreiche, unsichtbare Monster nach ihr greifen. Die Jungen und Mädchen machten sich über sie lustig, lachten ihr Opfer aus. Sarah hatte das Gefühl gehabt, ihr müsste jeden Moment der Schädel zerspringen. Dass sie von den Angreifern Richtung Dachboden geschleift wurde, bekam sie gar nicht mehr richtig mit. Bis es plötzlich wieder ganz still geworden war.
    Sarah hatte die Augen fest geschlossen. Sie traute der Stille nicht. Zu selten geschah es, dass sie nicht von der Last der Gefühle anderer erdrückt wurde. Als sie die Augen aufschlug, erkannte sie erst, dass sie sich tatsächlich auf dem muffigen, alten Dachboden befand. Sie konnte kaum etwas sehen. Hier oben war es zu dunkel. Nur hören konnte sie gut. Und was sie hörte, ließ ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen. Es war ein Geräusch, das sie gut kannte. Und fürchtete. Ein Quietschen und Scharren von kleinen Pfoten über den schäbigen Dielenboden wie auf dem Dachboden ihres Zuhauses.
    Ratten! Der Gedanke hatte genügt. Panik erfasste Sarah. Die Vorstellung von hundert Ratten, die auf ihrem Körper krabbelten und an ihm nagten, ließ sie schreien wie am Spieß. Als sie die ersten Stupser an ihren nackten Beinen spürte, trat sie fieberhaft um sich. Ihr ging jede Orientierung verloren, sodass sie hinfiel, Fell unter ihren Fingern spürte, was alles nur noch schlimmer machte. Ihre Panik machte die Ratten aggressiv, doch sie konnte nicht anders. Der erste Biss war ein Schock. Kurz setzte Sarahs Herzschlag aus, um dann schneller und immer schneller zu pochen. Sie schwitzte und zitterte zugleich vor Furcht. Ihr würde nie wieder warm werden. Dann roch sie es. Räucherspeck. Überall auf dem Boden verteilt. Die Ratten waren absichtlich angelockt worden. Wie konnten sie nur so grausam sein? Wieso taten sie ihr das an? Weil sie nicht mit ihnen spielen konnte und sie anfing, zu schreien, wenn man sie berührte?
    Leise hatte sie begonnen, zu wimmern, zu flehen, dass es aufhören sollte. Blind tastete sie nach einem Ausgang, den sie nicht fand. Als die aufgeschreckten, dürren Ratten wild und unkontrolliert über ihren kleinen Körper rannten, wollte sie nur noch sterben. Es schien in diesem Moment die bessere und einzige Alternative. Wie oft sie inzwischen gebissen worden war, wusste sie nicht, wollte es nicht wissen. Sie hatte aufgehört, zu zählen. Sie gab auf. Gab sich auf. Lag auf dem Boden und versuchte, mit jeder Faser ihres Herzens nicht an die Ratten zu denken, die sie quälten. Doch es gelang nicht. Also weinte sie weiter leise vor sich hin.
    Wie lange es gedauert hatte, wusste sie nicht. Denn sie hatte das Gefühl für Zeit verloren. Doch irgendwann sah Sarah ein

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