Küss mich, wenn Du kannst
uns zu. Kates tiefe Sorge um dich und deine... Warum sprechen wir‘s nicht einfach offen aus?«
Warum tun wir’s nicht ? Annabelle schraubte den Deckel auf die Dose und stellte sie in den Schrank.
»Dauernd regt sie sich über deinen chaotischen Lebensstil auf, diese Belastung braucht sie nun wirklich nicht.«
Diesmal würde sie sich nicht aus der Fassung bringen lassen. »Mom lebt von ihrem Ärger über mich«, erwiderte sie in erstaunlich ruhigem Ton. »Der Ruhestand langweilt sie. Wenn sie meine Zukunft zu gestalten versucht, hat sie was zu tun.«
»So sehen wir das nicht. Ständig ist sie gestresst.«
»Für sie ist Stress die beste Erholung, das weißt du.«
»O Gott, du hast ja keine Ahnung! Wann wirst du‘s endlich merken? Solange du in diesem Haus wohnst, bereitest du ihr überflüssige Kopfschmerzen.«
Das Haus. Noch ein wunder Punkt. Obwohl Annabelle jeden Monat die Miete zahlte, musste sie akzeptieren, dass sie unter Mommys Dach lebte.
»Zieh endlich aus, dann kann sie‘s verkaufen.«
»Also will sie das Haus loswerden?«, fragte sie schweren Herzens und ließ den Blick durch die schäbige Küche schweifen. In ihrer Fantasie sah sie die Großmutter vor dem Spülbecken stehen. Dort hatten sie so oft gemeinsam das Geschirr gewaschen. Um ihre Maniküre zu schonen, trocknete Nana ab, und die Enkelin spülte. Dabei schwatzten sie über die Jungs, die Annabelle mochte, über Nanas neue Klienten. Über alles und nichts hatten sie geredet.
»Was sie will, ist doch glasklar«, betonte Doug. »Ihre Tochter soll was aus sich machen und ein verantwortungsvolles Leben führen. Stattdessen bist du eine hemmungslose Schnorrerin.«
So nannten sie es also, wenn man jeden Monat mühsam die Miete zusammenkratzte? Andererseits - warum machte sie sich was vor? Wenn ihre Mutter das Haus an einen Bauunternehmer verkaufte, würde sie ein Vermögen einheimsen. Jetzt verlor Annabelle den letzten Rest ihrer Geduld. »Okay. Falls Mom das Haus verscherbeln will, soll sie mit mir reden. Misch dich da nicht ein!«
»Typisch! Kannst du nicht ausnahmsweise mal logisch über ein Problem diskutieren?«
»Wenn du auf Logik Wert legst, sprich mit Adam oder Candace. Oder Jamison, um Himmels willen. Aber lass mich in Ruhe.« Abrupt legte sie auf, wie die reife Einunddreißigjährige, die sie nicht war, und brach prompt in Tränen aus. Nur ein paar Sekunden lang kämpfte sie dagegen an. Dann packte sie ein Papiertuch, setzte sich an den Küchentisch und überließ sich ihrem Elend. Sie hatte es satt, dass sie ständig zum schwarzen Schaf der Familie gestempelt wurde und den Kürzeren zog. Plötzlich krampfte kalte Angst ihr Herz zusammen - sosehr sie sich auch dagegen wehrte, sie hatte sich in einen Mann verliebt, der ihren Verwandten aufs Haar glich.
Bis zum Montagmorgen hatte sich Heath noch immer nicht gemeldet. Sie musste eine Agentur betreiben. Obwohl es ihr sehnlichster Wunsch war, durfte sie sich nicht länger zusammenrollen und tot spielen. Also hinterließ sie eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter.
Auch am Dienstagnachmittag hörte sie nichts von ihm. Beinahe war sie sicher gewesen, ihre schauspielerische Glanzleistung hätte ihn von seiner Rolle als Sextherapeut überzeugt. Aber jener Morgen lag schon über eine Woche zurück, also schien er gewisse Zweifel zu hegen. Einer Konfrontation auszuweichen, das passte nicht zu ihm. Früher oder später würde er Verbindung mit ihr aufnehmen. Doch der Showdown sollte zu seinen Bedingungen stattfinden, was sich für Annabelle nachteilig auswirken würde.
Wenigstens besaß sie Bodies Handynummer seit dem Tag, den sie zusammen mit Arte Palmer verbracht hatten. An diesem Abend rief sie ihn an.
Ein Frühaufsteher joggte an ihr vorbei, als sie Sherman in eine wundersamerweise leere Parklücke manövrierte, ein paar Häuser von der Lincoln-Park-Adresse entfernt, die Bodie ihr am letzten Abend gegeben hatte. Schon um halb sechs hatte ihr Wecker geläutet - eine großartige Zeit für Mr. Bronicki und seinen Kumpel, um aus den Federn zu kriechen - für Annabelle die Hölle auf Erden. Hastig duschte sie und schlüpfte in ein hellgelbes Sommerkleid mit einer Korsage, die ihr das Gefühl gab, sie hätte einen Busen. Dann strich sie ein bisschen Gel auf ihr schon vor zwei Tagen gewaschenes Haar, trug Make-up und Lipgloss auf und rannte aus dem Haus.
Unterwegs hatte sie einen Kaffee im Caribou in der Halsted Street gekauft. Damit wärmte sie jetzt ihre Handflächen, während sie
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