Küss mich, wenn Du kannst
aus«, flüsterte er.
17
In der Woche nach der katastrophalen Wind-Lake-Klausur arbeitete Annabelle eifriger denn je, um sich auf andere Gedanken zu bringen. Die Perfekt-for-You-Website wurde eingerichtet. Kurz danach bekam sie ihre erste Anfrage per E-Mail.
Sie traf sich getrennt mit Ray Fiedler und Carole. Wenn die beiden auch nicht in heißer Liebe entbrannten, so hatten sie doch einiges voneinander gelernt. Melanie Richter, die von Heath abgewimmelte Power-Matches-Kandidatin, hatte sich bereit erklärt, mit Shirley Millers Patensohn Kaffee zu trinken. Bedauerlicherweise wurde Jerry von ihrer Neiman’s-Garderobe eingeschüchtert und lehnte ein zweites Date ab. Vor Annabelles Tür erschienen immer wieder Senioren, die sie zu viel Zeit kosteten und nichts für die Finanzlage der Agentur taten. Aber sie spürte die Einsamkeit der alten Leute und brachte es nicht übers Herz, sie wegzuschicken. Gleichzeitig erkannte sie, dass sie klotzen statt kleckern musste, wenn sie auf einen grünen Zweig kommen wollte. Sie checkte ihr Bankkonto und entschied, sie könnte sich eine Wein- und Käseparty für ihre jüngere Kundschaft leisten. Die ganze Woche wartete sie vergeblich auf Heaths Anruf.
Am Sonntagnachmittag hörte sie gerade einen Oldie von Prince im Radio und packte ein paar Lebensmittel aus, als das Telefon läutete.
»Hallo, Kartoffel, wie läuft‘s?«
Sobald sie die Stimme ihres Bruders Doug hörte, fühlte sie sich wieder wie eine hoffnungslose Stümperin. Seufzend erinnerte sie sich an die letzte Begegnung. Wie hatte er damals ausgesehen. Blond und attraktiv - eine männliche Version ihrer Mutter. Sie stopfte einen Beutel mit jungen Karotten in den Kühlschrank und schaltete das Radio ab. »Könnte gar nicht besser sein. Und was tut sich im LaLaLand?«
»Gerade wurde das Nachbarhaus für 1, 2 Millionen verkauft. Dabei war‘s nur vierundzwanzig Stunden auf dem Markt. Wann besuchst du uns eigentlich wieder? Jamison vermisst dich.«
»Ich vermisse ihn auch.« Was nicht ganz stimmte, denn sie kannte ihn kaum. Da ihre Schwägerin den armen Jungen dermaßen mit Spieltherapien und Fördergruppen für Kleinkinder eindeckte, hatte Annabelle ihn bei ihrem letzten Besuch hauptsächlich in seinem Autositz schlafen sehen.
Ohne Punkt und Komma erzählte Doug von seiner fabelhaften Nachbarschaft. Währenddessen malte sich Annabelle aus, Jamison würde als zappeliger neurotischer Dreizehnjähriger, dem heimischen Gefängnis entlaufen, auf ihrer Schwelle erscheinen. Indem sie ihm die besten Faulenzertricks beibrachte, würde sie ihm zur seelischen Genesung verhelfen. Und wenn er erwachsen war, würde er seinen Kindern von seiner geliebten exzentrischen Tante Annabelle erzählen, die seine geistige Gesundheit gerettet und ihn gelehrt hatte, das Leben zu genießen.
»Letzte Woche habe ich Candace mit einem neuen Benz überrascht«, verkündete Doug. »Hättest du bloß ihr Gesicht gesehen.«
Sie schaute durchs Küchenfenster zur Gasse hinaus, wo Sherman wie ein großer grüner Frosch in der Sonne briet. »Sicher hat sie sich wahnsinnig gefreut.«
»So kann man‘s nennen.« In allen Einzelheiten beschrieb er den Benz, die Innenausstattung, das Äußere, das Navigationssystem. Als ob sie sich dafür interessierte. Zwischendurch bat er sie zu warten, weil er einen Anruf entgegennehmen musste. Wie Heath... Schließlich kam er zur Sache. Und da fiel ihr wieder ein, warum Doug normalerweise mit ihr telefonierte. Um ihr eine Lektion zu erteilen. »Wir müssen über Mom reden. Neulich habe ich die Situation mit Adam besprochen.«
»Moms Situation?« Sie öffnete eine Dose mit Marshmallows, tauchte einen Löffel hinein und steckte ein paar in den Mund.
»Natürlich wird sie nicht jünger, Kartoffel. Aber das scheinst du zu vergessen.«
»Sie ist erst zweiundsechzig«, murmelte sie und verschluckte den süßen Klumpen. »Wohl kaum reif fürs Pflegeheim.«
»Erinnerst du dich an ihre ärztliche Untersuchung im letzten Monat?«
»Nur eine Nasennebenhöhlenentzündung!«
»Spiel es nur herunter. Jedenfalls wird sie von den Jahren eingeholt.«
»Neulich hat sie sich bei einem Windsurfer-Club angemeldet, um Unterricht zu nehmen.«
»Sie erzählt dir eben, was du hören willst. Niemals würde sie über ihren Zustand klagen.«
»Beinahe hättest du mir Angst gemacht.« Etwas vehementer als nötig warf sie den schmutzigen Löffel in die Spüle.
»Was dieses Thema betrifft, sind Adam und ich einer Meinung. Und Candace stimmt
Weitere Kostenlose Bücher