Küss mich, wenn Du kannst
Gedanken an das Glück ihrer Freundin konnte Annabelle endlich lächeln. Sobald Ray seine dünnen, über den Oberkopf gekämmten Haare losgeworden war, hatte er auch sein Verhalten geändert und sich als wirklich netter Typ entpuppt. Janine hatte befürchtet, ihre Brustamputation würde ihn abstoßen. Aber er hielt sie für die schönste Frau der Welt.
Annabelle hatte noch andere Gründe zur Freude. Offensichtlich entwickelte sich eine ernsthafte Beziehung zwischen Ernie Marks, ihrem schüchternen Schuldirektor, und der lebhaften Architektin Wendy. Bei einem Grundsatzgespräch hatte sie Melanie die alberne Schwärmerei für John Nager ausgeredet. Und dank der Publicity, für die Heath und Delaney sorgten, florierte die Agentur wie verrückt. Allmählich könnte ihr Bankkonto ein neues Auto verkraften.
Statt ihre Erfolge zu genießen, dachte sie wieder an Heath und Delaney. Wie konnte er nur so blind sein? Trotz allem, was sie einmal geglaubt hatte - ihre alte Freundin war nicht die Richtige für ihn, zu reserviert, zu geschliffen. Zu perfekt.
Der Verlobungsring steckte in Heaths Tasche. Und seine Zunge klebte am Gaumen. So was Blödes... Normalerweise ließ er sich nicht unter Druck setzen. Aber jetzt hatte er plötzlich Lampenfieber.
An diesem Nachmittag hatte er seine Sekretärin gebeten, den Verlobungsring im Juweliergeschäft abzuholen. Er hatte ihn vor zwei Wochen ausgesucht, sofort nach seiner Rückkehr aus Denver. Nun beendete er mit Delaney ein Fünfhundert-Dollar-Dinner im Charlie Trotter‘s. Die Beleuchtung war gedämpft, die Musik leise, die romantische Atmosphäre vollkommen. Also musste er nur noch ihre Hand nehmen und die magischen Worte sagen. Würdest du mir die Ehre erweisen und meine Frau werden?
Er hatte beschlossen, das »Ich liebe dich«-Problem zu umgehen, indem er Einzelheiten hervorheben und betonen würde, dass er ihre Intelligenz und ihre Schönheit liebte. Natürlich liebte er es, mit ihr Golf zu spielen. Und vor allem liebte er ihr kultiviertes Wesen, das Gefühl, es würde auf ihn abfärben. Sollte sie ein richtiges Liebesgeständnis verlangen, wollte er beteuern, er würde sie im Lauf der Ehe sicher lieben lernen, sobald er ganz sicher sein könnte, dass sie bei ihm blieb. Aber irgendwie fürchtete er, sie würde eine solche Erklärung nicht im gleichen positiven Licht sehen wie er selbst. Deshalb fand er es ratsam, dem Thema auszuweichen.
Würden Tränen in ihren Augen glänzen, wenn er ihr den Ring gab? Vermutlich nicht. Sie war nicht besonders emotional veranlagt. Danach würden sie zu ihm nach Hause fahren und die Verlobung im Bett feiern. Natürlich wollte er sich viel Zeit dafür nehmen. Seine Braut durfte er nicht so rücksichtslos drängen wie damals Annabelle.
Verdammt, es hatte Spaß gemacht...
Nur Spaß. Nichts Ernstes. Mit Annabelle zu schlafen war aufregend, verrückt und wild gewesen, aber unwichtig. Nur aus einem einzigen Grund dachte er so oft daran. Weil er jenes Erlebnis nicht wiederholen konnte, hatte es den Reiz des Verbotenen gewonnen.
Heath betastete das taubenblaue Juwelenetui in seiner Hosentasche. Allzu gut gefiel ihm der Ring nicht, den er ausgewählt hatte. Nur ein bisschen mehr als ein Karat, denn Delaney mochte im Gegensatz zu ihm nichts Pompöses. Viel lieber würde er einen gigantischen Stein an den Finger seiner künftigen Ehefrau stecken. Aber er selber musste das winzige, unscheinbare Ding nicht tragen, also würde er seine Meinung für sich behalten.
Okay... Höchste Zeit loszulegen. Geflissentlich würde er die Liebesdiskussion umschiffen, den verdammten Ring hervorholen und Delaney einen Heiratsantrag machen. Nachher würde er sie in sein Haus führen und den Deal besiegeln.
In seiner Tasche vibrierte das Handy, direkt neben dem Etui. Annabelle hatte ihm ausdrücklich untersagt, bei seinen Dates mit Delaney Telefonate entgegenzunehmen. Aber würde sie sich nicht daran gewöhnen müssen, wenn sie verheiratet waren? »Champion.« Mit einem Lächeln bat er seine künftige Gattin um Entschuldigung.
Wie ein undichter Boiler zischte Annabelles Befehl aus dem Telefon. »Komm sofort hierher!«
»Ich bin gerade mitten in einer Besprechung...«
»Und wenn du in der Antarktis bist, das ist mir egal. Schlepp deinen miesen Arsch zu mir!«
Im Hintergrund ertönte eine Männerstimme. Gefolgt von mehreren Männerstimmen. Heath richtete sich kerzengerade auf. »Alles in Ordnung?«
»Hört es sich etwa so an?«
»Irgendwas scheint dich zu
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