Küss mich, wenn Du kannst
spähte über den schmiedeeisernen Zaun hinweg. »Während du mit ihr streitest, trinke ich eine Tasse Kaffee im Earwax. Soll ich dir was mitbringen?«
Heath schüttelte den Kopf. Vor einer Weile hatte sich das Earwax, ein flippiges Kaffeehaus an der Milwaukee Avenue, zu einer Wicker-Park-Institution entwickelt. Mit seinem kahl rasierten Schädel und den Tattoos passte sein Freund gut dorthin.
Nachdem Bodie davongefahren war, ging Heath durch ein altersschwaches Eisengatter und überquerte einen fußmattengroßen Vorgarten mit säuberlich gestutztem Fingergras. Noch bevor er die Haustür erreichte, hörte er Annabelles Stimme.
»Wirklich, Mr. Bronicki, ich tue mein Bestes.«
»Die Letzte war zu alt«, erwiderte ein hektisches Keuchen.
»Aber sie ist fast zehn Jahre jünger als Sie.«
»Einundsiebzig. Viel zu alt.«
Sobald Heath auf die Schwelle trat, sah er Annabelle inmitten eines fröhlich anmutenden blaugelben Zimmers stehen, das ihr offenbar als Empfangsraum diente. Sie trug ein kurzes weißes T-Shirt, Hüftjeans und regenbogenbunte Flipflops. Ihre Locken hatte sie auf dem Oberkopf zu einem überdimensionalen Pferdeschwanz geschlungen, der irgendwie an die Fontäne aus dem Spritzloch eines Wals erinnerte. Dadurch glich sie Pebbles Feuerstein, allerdings mit einer besseren Figur.
Ein glatzköpfiger alter Mann mit buschigen Brauen starrte sie vorwurfsvoll an. »Habe ich nicht gesagt, ich will eine Lady in den Dreißigern?«
»Glauben Sie mir, Mr. Bronicki, die meisten Frauen in den Dreißigern suchen Männer in ihrem eigenen Alter.«
»Damit beweist du wieder einmal, dass du überhaupt nichts von deinem Job verstehst. Die Frauen lieben ältere Männer, weil sie ganz genau wissen, wo das große Geld steckt.«
Zum ersten Mal an diesem Tag amüsierte sich Heath und grinste breit. Er schlenderte ins Haus, und Annabelle entdeckte ihn. Prompt riss sie die honigbraunen Augen auf, als wäre ein gigantischer böser Dinosaurier in die Feuerstein-Höhle eingedrungen. »Heath? Was machen Sie hier?«
»Anscheinend gehen Sie nicht ans Telefon.«
»Klar, weil sie mir dauernd auszuweichen versucht«, warf der alte Mann ein.
Die Walfischfontäne wippte empört. »Unsinn, ich weiche Ihnen nicht aus. Hören Sie, Mr. Bronicki, ich muss mit Mr. Champion reden. Besprechen wir unser Problem ein anderes Mal.«
»O nein!« Entschlossen verschränkte Mr. Bronicki die Arme vor der Brust. »Du willst dich nur aus unserem Vertrag rauslavieren.«
»Lassen Sie sich von mir nicht stören«, bat Heath und hob beschwichtigend die Hände. »Ich warte ganz einfach und spitze die Ohren.«
Als sie ihm einen vernichtenden Blick zuwarf, verzog er die Lippen und näherte sich der Couch, was seine Aussicht auf ihr knappes T-Shirt verbesserte. Aufmerksam betrachtete er die schlanken Beine, die Füße, die Zehen, die weinrot mit weißen Punkten lackiert waren. Pebbles hatte offenbar ein besonderes, individuelles Stilgefühl.
Nun wandte sie sich wieder zu ihrem betagten Besucher. »Aus gar nichts laviere ich mich raus«, zischte sie. »Zufällig ist Mrs. Valerio eine wunderbare Frau, und Sie beide haben viele gemeinsame Interessen.«
»Trotzdem ist sie zu alt«, protestierte der Greis ebenso hitzig. »›Zufriedenstellung garantiert‹. Erinnerst du dich? So steht‘s im Vertrag. Und mein Neffe ist Anwalt.«
»Das haben Sie bereits erwähnt.«
»Ein hervorragender Anwalt. Der war auf einer fabelhaften juristischen Fakultät.«
In Annabelles Augen erschien ein stählerner Glanz, der dem armen Mr. Bronicki nichts Gutes verhieß. »Ach, so gut wie Harvard?«, rief sie triumphierend. »Dort hat nämlich Mr. Champion studiert.« Unbeirrt packte sie die Gelegenheit beim Schopf. »Und er ist mein Anwalt!«
Heath schnappte nach Luft.
Misstrauisch musterte ihn der alte Mann, und ein selbstgefälliges Lächeln plusterte Annabelles Wangen auf. »Mr. Bronicki, darf ich Ihnen Mr. Heath Champion vorstellen, auch unter dem Namen ›der Python‹ bekannt... Aber regen Sie sich deshalb nicht auf - Senioren bringt er nur selten hinter Gitter. Heath, Mr. Bronicki ist ein ehemaliger Klient meiner Großmutter.«
»Oh - eh...« Der alte Mann blinzelte, erholte sich aber sehr schnell von seiner Verblüffung. »Wenn Sie ein Anwalt sind, sollten Sie ihr vielleicht die Bedeutung eines Vertrags erklären.«
Von neuer Entrüstung erfasst, ballte Annabelle die Hände. »Mr. Bronicki bildet sich ein, dieser Vertrag, den er 1989 unterzeichnet hat, wäre immer noch
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