Küss mich, wenn Du kannst
zweiundvierzig. Das konnte ich inzwischen rausfinden.«
»Warum haben Sie dann überhaupt gefragt?«
»Weil ich sehen wollte, wie Sie sich aufführen, wenn Sie lügen.« In seinen hellen Augen tanzte unverhohlene Belustigung. »Jetzt weiß ich‘s.«
Portia weigerte sich, die Herausforderung anzunehmen. »Ist das Date jetzt vorbei?«
»O nein, es fängt gerade erst an. Essen wir erst nach dem Spiel, okay?«
»Welches Spiel meinen Sie?«
Bodie wies mit dem Kinn zum Beach-Volleyballplatz. »In vierzig Minuten sind wir dran.«
»Sehr gut. Kurz nachdem ich verschwunden bin.«
»Ich habe uns angemeldet. Also müssen Sie spielen.«
»Irrtum.«
»Hätte ich Ihnen bloß gesagt, Sie sollen Shorts mitbringen.«
»Wahrscheinlich hatten Sie zu viele andere wichtige Dinge im Kopf.«
Er lächelte. »Was für ein schönes Biest Sie sind...«
»Danke.«
Nun grinste er noch breiter, und ihre Haut prickelte. Wieder einmal erwog sie die Möglichkeit, dass er nicht so dumm war, wie sie glaubte. »Eindeutig eine harte Nuss...« Als er eine Hand nach ihr ausstreckte, zuckte sie zusammen. Aber dann berührte seine Fingerspitze ihre Halsgrube, und winzige Schockwellen strömten durch ihren Körper. »Wir zwei werden ein großartiges Team abgeben. Solange ich Sie ganz fest am Hundehalsband halte.«
Noch eine elektrisierende Attacke peinigte ihre Nerven. Abrupt wich sie seiner Hand aus. Zum Glück kamen in diesem Moment drei Männer zum Tisch, die an der Bar gehangen hatten - alle sehr jung und respektvoll. Bodie machte Portia mit ihnen bekannt. Doch sie interessierten sich nur für ihn. Sie erfuhr, dass er Footballprofi gewesen war. Während sie fachsimpelten, empfand sie das ungewohnte, aber keineswegs unerwünschte Gefühl, sie wäre unsichtbar. Sie entspannte sich ein bisschen. Und als die Jungs davonschlenderten, entschied sie, dass es an der Zeit war, die Kontrolle zu übernehmen. »Erzählen Sie mir was von Ihrem Leben. Woher kommen Sie?«
Bevor er antwortete, schien er sich zu fragen, wie viel er verraten sollte. »Aus Illinois. Nur ein kleiner Punkt auf der Landkarte.«
»Also ein Kleinstadtjunge.«
»So könnte man‘s nennen. Ich wuchs in einem Wohnwagencamp auf. Dort war ich das einzige Kind. Mein Fenster ging auf einen Schrottplatz hinaus.«
Da man ihm seine primitive Herkunft anmerkte, war sie nicht überrascht. »Und ihre Eltern?«
»Als ich vier war, starb meine Mutter. Und mein Vater, ein attraktiver Trunkenbold, machte die Ladys ganz scharf. Glauben Sie mir, da schwirrten in meiner Kindheit ziemlich viele herum.«
Das alles fand sie so widerwärtig, dass sie ihre Frage bereute. Sie dachte an die untadelige Vergangenheit ihres Ex, an die paar Dutzend Männer, die sie im Lauf der Jahre näher gekannt hatte - einige Selfmademen, aber alle kultiviert und salonfähig. Und jetzt saß sie in einer Sportlerkneipe, mit einem Kerl, der den Eindruck erweckte, er hätte Leichen in Kofferräume gestopft, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Bodie entschuldigte sich, und sie checkte ihr Handy. Vor kurzem hatte sie eine Nachricht von Juanita Brooks erhalten, der Leiterin der Community Small Business initiative. Portia rief sofort zurück. Mit der ehrenamtlichen Tätigkeit für die CSBI füllte sie die Lücke in ihrem Leben aus, die nach der Scheidung entstanden war. Obwohl sie es niemandem jemals anvertraut hatte, sehnte sie sich nach Hochachtung, einem Beweis ihrer überragenden Fähigkeiten, und den verschaffte sie sich, indem sie junge Frauen förderte, die gerade ihre berufliche Laufbahn begannen.
»Heute habe ich mit Mary Churso gesprochen, Portia«, erklärte Juanita. »Ich weiß, du hast sie gern beraten, aber - sie möchte jemand anderem zugeteilt werden.«
»Was? Unmöglich! Ich habe so viel Zeit mit ihr verbracht und sehr hart gearbeitet. Wie konnte sie nur?«
»Vermutlich war sie ein bisschen eingeschüchtert. So wie die anderen...« Juanita zögerte kurz. »Wirklich, Portia, ich schätze dein Engagement. Es ist nur - die meisten Frauen, die zu uns kommen, müssen ein bisschen sanfter behandelt werden.«
Ungläubig hörte Portia zu, während Juanita ihr mitteilte, im Augenblick würde die CSBI niemanden betreuen, den sie ihr anvertrauen könne. Doch sie würde ihr Bescheid geben, falls eine »geeignete« Frau auftauchen sollte. Dann beendete sie das Telefonat.
Unfassbar... Eine Riesenfaust schien alle Luft aus Portias Lungen zu pressen. Wieso nahm Juanita ihr diesen wichtigen Teil ihres Lebens weg?
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