Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
Ersatzkleid hervorholen.
Cassidy hätte gerne gequält aufgestöhnt, aber dann schwächte sie diese Gemütsäußerung zu einem kaum wahrnehmbaren resignierten Seufzer ab – darin konnte sie auf jahrelange Übung zurückblicken – und folgte ihrer Großmutter die Treppe hinunter.
»Wer ist es denn, den ich unbedingt treffen muss?«
»Mehrere wichtige Leute, mit denen ich dich gerne bekannt machen möchte.«
Adeles Stimme war klar und deutlich über das Klappern ihrer Absätze auf den Stufen hinweg zu verstehen.
»Ich bin viel zu nachgiebig gewesen, dass ich dir erlaubt habe, die gesellschaftlichen Verpflichtungen zu vernachlässigen, die nun einmal damit einhergehen, wenn man ein Mitglied unserer Familie ist. Die meisten aus meinem Freundeskreis kennen dich kaum, und ich bin mir sicher, dass die Mehrzahl von ihnen dich nicht einmal erkennen würde, wenn ihr euch auf der Straße begegnet. Es ist höchste Zeit, dass auch du ein paar der Verpflichtungen übernimmst, die deine Eltern und meine Eltern und ihre Eltern nicht gescheut haben.«
Oh Gott, nicht schon wieder. Dieses Gespräch hatten sie doch schon so oft geführt, dass man es gar nicht mehr zählen konnte. Nach dem Zwischenfall im letzten Sommer, bei dem sie dem zu Besuch weilenden Prinzen einer sehr einflussreichen Familie von Dschinn den Zeh gebrochen hatte, hatte Cassidy gehofft, endlich darüber hinweg zu sein. Sie hatte den Prinzen gewarnt, dass sie keine Samba tanzen konnte, aber Dschinn glaubten ja immer, sie könnten jeden zu allem bezirzen.
»Nana«, setzte sie vorsichtig an, »vielleicht wäre es besser, wenn wir das heute Abend ließen. Ich meine, selbst, wenn ich mich umziehe, sehe ich doch bestimmt katastrophal aus. Mein Haar muss ja –«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, schnappte Adele.
»Ich habe bereits alle wissen lassen, dass die Enkelin, von der ich jedem Einzelnen von ihnen erzählt habe, heute Abend hier ist, und ich weigere mich, mir vor dem Rat noch weitere Ausflüchte einfallen zu lassen, wieso du nicht in der Lage bist –«
Cassidy erstarrte, als die Tür gerade hinter ihnen ins Schloss fiel, und blieb mit der Hand auf dem Knauf im diffusen Licht des Treppenhauses stehen.
»Der Rat? Du willst mich den Mitgliedern des Rates vorstellen?«
»Jawohl. Und ein Trainingsanzug ist ja wohl kaum das passende Kleidungsstück für so eine Gelegenheit.«
»Warum in aller Welt solltest du mich dem Rat vorstellen wollen?«
Schön, es mochte sich ein Anflug von Panik in ihre Stimme verirrt haben, aber ein solches Ansinnen konnte ja wohl jeden in Panik versetzen. In Gegenwart von Autoritätspersonen bekam Cassidy nie ein Wort heraus. Selbst aus der Disputation ihrer Dissertationsarbeit war sie nur mit knapper Not bei lebendigem Leibe entkommen, und schließlich konnte ihrer Großmutter ja wohl kaum daran gelegen sein, dass sie sich vor den mächtigsten Anderen der ganzen Stadt restlos blamierte.
Adele setzte unbeirrt und in perfekter, von ihrem Alter ungebeugter Haltung ihren Weg die Treppe hinunter fort.
Ein Tornado hätte Adele Berrys Rückgrat nicht beugen können.
Cassidy eilte hinter ihr her.
»Nana, du hast nie etwas davon gesagt, dass ich jemanden vom Rat kennenlernen müsste. Das gehörte nicht zu unserer Abmachung, als ich dir versprochen habe, heute Abend herzukommen.«
»Cassidy, mein Liebling, du bist eine gebildete Frau und normalerweise ganz vernünftig im Kopf. Du hast einen Doktor in Anthropologie, und du hältst regelmäßig vor einem halben Tausend Studenten Vorlesungen an der Columbia University. Bekommst du wirklich Fracksausen, weil du die Bekanntschaft von vierzehn alten, abgehalfterten Greisen wie mir machen sollst?«
»Einige von diesen abgehalfterten alten Greisen könnten mir mit ihren Zähnen die Kehle aufreißen und würden es auch noch genießen.«
»Schatz, das könnte ein jeder.«
»Na bitte. Wie einfühlsam von dir. Wenn mir das kein Trost ist.«
»Zu Sarkasmus anstatt Witz nehmen nur Kleingeister Zuflucht.«
Kopfschüttelnd trat Cassidy von der letzten Stufe der Dachtreppe und folgte ihrer Großmutter den Flur hinunter.
»Nana, ehrlich. Ich habe gar nicht versucht, sarkastisch zu sein. Das Ganze ist einfach lächerlich. Es gibt absolut keinen Grund für mich, jemanden vom Rat zu treffen. Ich werde dort nie einen Sitz innehaben. Darauf haben wir uns doch geeinigt.«
»Du hast dich mit dir selber darauf geeinigt, meine Liebe. Ich weigere mich, daran zu glauben, dass der Rat gezwungen
Weitere Kostenlose Bücher