Küss mich, Werwolf - Warren, C: Küss mich, Werwolf - Wolf at the Door (Others 01)
denke überhaupt nicht negativ von jemandem. Ich finde bloß, wir sollten unsere Beziehung auf einer strikt professionellen Ebene belassen. Schließlich kennen wir einander kaum.«
Selbst Cassidy kam diese Erklärung für ihre Unnahbarkeit ziemlich lahm vor. Schließlich war er nicht ihr Boss und sie nicht der seine. Und es ging hier ja nicht um eine billige Anmache in der Kantine. Sie waren zwei gesunde, ungebundene Menschen, die einander zufällig gegenseitig sehr appetitlich fanden und gemeinsam gemütlich zu Abend essen wollten. Wie sonst sollte man andere Leute kennenlernen, wenn man sich nicht mit ihnen verabredete?
Aber lahm oder nicht, ihr Ausweichmanöver hatte schon seine tiefer liegenden Gründe. Sullivan Quinn machte ihr Angst – nicht in dem Sinne, dass sie glaubte, er könne ihr etwas antun; nicht einmal letzte Nacht, als er sie über das Dach gejagt hatte, als wäre sie eine Gazelle, hatte sie auch nur eine Sekunde lang um ihr Leben gefürchtet. Um ihre Selbstbeherrschung vielleicht schon, aber nicht um ihr Leben.
Nein, Quinn löste in ihr auf weit verzwicktere Art und Weise Beklemmungen aus: Er verführte sie dazu, ihre eigenen Regeln brechen zu wollen. Er stellte sie ernsthaft vor die Frage, was so schlecht daran wäre, sich mit einem Mann zu verbünden, der so lebte, wie ihre Eltern gestorben waren – indem er sich in der gefährlichen Welt der Politik der Anderen engagierte. Der Verlust ihrer Eltern hatte einen schweren Schlag für Cassidy bedeutet, ihren gesamten Lebensweg verändert. Sie hatte gelernt, ohne sie zu leben, aber sie fehlten ihr trotzdem sehr. Und wenn sie sich nun auf Sullivan Quinn einließ? Würde sie ihn auch verlieren? Immerhin hatten ihr die vergangenen vierundzwanzig Stunden vor Augen geführt, dass das Leben als Diplomat im Dienste der Anderen seit dem Tod ihrer Eltern kein bisschen ungefährlicher geworden war. Würde sie den Schmerz eines weiteren Verlustes verkraften können?
Sie stellte sich an die Straßenecke, winkte einem sich nähernden Taxi, das ihr jedoch keine Beachtung schenkte, und war sich dabei nur allzu bewusst, dass Quinn dicht hinter ihr stand, so dicht, dass sie die Wärme, die wie ein Ofen von ihm abstrahlte, spüren konnte. Sie bekam eine Gänsehaut dabei, aber bei wem sollte sie die Schuld dafür suchen, wenn nicht bei der winterlichen Kälte?
Als sich ein weiteres Taxi näherte, hob sie wieder den Arm. Dieser Wagen bremste ab und hielt am Bordstein. Sie ließ den Arm sinken und holte tief Luft – die ihr aber sogleich wieder wegblieb, als Quinn einen seiner starken Arme von hinten um sie legte und ihr so nahe kam, dass sein Atem das Haar neben ihrem Ohr streifte.
»Ich bin gerade dabei, das zu ändern, liebste Cassie«, knurrte er, tief und sinnlich, und sie fühlte seine Zähne an ihren zarten Ohrläppchen schaben.
»Ich werde dich sehr genau kennenlernen.«
13
Quinn befürchtete, ein wenig zu weit gegangen zu sein. Auf der Fahrt zu ihrem Apartment saß Cassidy die ganze Zeit schweigend neben ihm im Taxi, starrte aus dem Fenster und ließ die Hochhäuserblocks an sich vorbeiziehen.
Normalerweise machten ihm Schweigen und Stille nichts aus. Er hatte mit den Jahren gelernt, dass man manchmal die meisten Informationen bekam, wenn man bewusst nicht danach fragte, sondern sich in Geduld fasste und darauf wartete, dass sie sich ganz von selber ergaben. Er hatte kein Verständnis für Menschen, die die Ruhe nicht zu schätzen wussten und meinten, sie mit Geschwätz ausfüllen zu müssen, selbst, wenn sie gar nichts zu sagen hatten.
Cassidy schien allerdings nicht zu diesen Leuten zu gehören.
Er überlegte, ob er sich bei ihr entschuldigen sollte, ihr sagen, dass er sich nicht so hätte gehen lassen dürfen, aber ihm war unwohl dabei, sie anzulügen. Er hatte zwar jede einzelne Silbe seines unausgesprochenen Schwures ernst gemeint, und er würde wiederum jede – und darauf konnte man Gift nehmen – sich nur bietende Gelegenheit ergreifen, doch gleichzeitig wollte er sein Weibchen in spe nicht vor den Kopf stoßen und erst recht nicht von ihr die kalte Schulter gezeigt bekommen.
Bemüht, seine Gedanken zu ordnen, rutschte er auf dem Rücksitz des Taxis hin und her. Wieder dachte er daran, um wie viel einfacher es alles machen würde, wenn er sich eine Wölfin zum Weibchen nähme, eine Frau, die sein hitziges Temperament kannte und erwiderte, jemand, die instinktiv begriff, wie es ablief, dass es in Situationen wie dieser vor dem Zugriff
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