Küsse, die "Verzeih mir" sagen
hochgehoben und ins Schlafzimmer getragen. Stattdessen stellte er sich vor ihren Stuhl.
Doch sie wich seinem Blick konsequent aus.
„Ich fahre besser ins Hotel zurück, damit du dich etwas von dem Schock erholen kannst. Ich wünsche mir nichts mehr, als unserer Tochter ein richtiger Vater zu sein. Aber ich werde deine Wünsche respektieren, wenn du glaubst, dass Roberta mit der Wahrheit nicht zurechtkommt. Bitte lass mich wissen, wie du dich entschieden hast. Wenn ich sie kennenlernen darf, überlegen wir uns, wie wir das Treffen am besten gestalten. Ich habe zurzeit Urlaub und warte auf deinen Anruf.“
„Ich kann dir nicht sagen, wie lange es dauern wird.“
„Denk bitte dran, es interessieren sich ziemlich viele Archäologen für die Stelle im Park. Du bist zwar die Favoritin – nicht zuletzt wegen deiner exzellenten Arbeit in Afghanistan. Aber Superintendent Telford kann den Platz nicht ewig für dich frei halten, und er zählt auf dich.“
Er bekam keine Antwort. Wahrscheinlich hatte Annie gar nicht zugehört. Frustriert schüttelte er den Kopf. „Kann ich noch irgendetwas für dich tun, bevor ich gehe?“
„Nein.“ Sie konnte es nicht abwarten, ihn los zu sein.
„Mein Hotel ist gleich um die Ecke. Ruf an, wenn du etwas brauchst.“
Damit ging er hinaus. Von jetzt an konnte er nur noch warten.
Am späten Samstagnachmittag steckte Annie den Kopf in Robertas Zimmer, wo die Mädchen spielten. „Debbie, deine Mom ist hier.“
„Och, muss sie wirklich schon los?“, fragte Roberta.
„Ja, leider.“ Debbie verzog das Gesicht. „Moms Freund geht mit uns Pizza essen und danach ins Kino.“
„Klingt doch gut. Magst du ihn nicht?“ Roberta folgte Debbie in den Flur.
„Nee, nicht wirklich. Wenn er zu uns kommt und ich gerade Fernsehen schaue, schaltet er immer auf die Sportschau um.“
„Das ist nicht fair.“
Annie hatte gewusst, dass ihre Tochter das sagen würde. Sie verabschiedete sich winkend von Debbie und schloss die Haustür.
„Wann kommen Grandma und Grandpa?“
„So gegen sieben. Sie bringen chinesisches Essen mit.“
Somit blieben Annie noch zweieinhalb Stunden, um Roberta die große Neuigkeit schonend beizubringen. „Hilfst du mir mit der Wäsche?“, fragte sie.
Bereitwillig folgte Roberta ihr in den Hauswirtschaftsraum und trug den vollen Korb mit der Wäsche aus dem Trockner ins Schlafzimmer. „Ich bin froh, dass du keinen blöden Freund hast“, sagte sie, als sie den Korb aufs Bett stellte.
Das war genau das Thema, auf das Annie hinauswollte. Auch wenn Robert ihr gestern gesagt hatte, er würde ihre Entscheidung akzeptieren – früher oder später würde er seine Tochter kennenlernen wollen. „Und wenn ich einen netten Freund hätte?“
„Hättest du denn gern einen?“
Es war eine von Robertas Eigenschaften, Fragen mit Gegenfragen zu beantworten. Damit zog sie sich immer elegant aus der Affäre, wenn jemand sie nach ihrer Meinung fragte.
„Darüber habe ich noch nicht so richtig nachgedacht. Bis jetzt sind wir beide doch ganz gut allein klargekommen, oder?“
Roberta nickte. „Und so wie Daddy wäre sowieso keiner.“
„Woher willst du das wissen?“, fragte Annie ein wenig atemlos.
Robertas Blick war unschuldig. „Na, weil du ihn geliebt hast.“
Hastig leerte Annie den Wäschekorb aus und fing an, ihre Sachen zu sortieren. Doch dann ließ sie sich aufs Bett sinken und hoffte nur noch, das Richtige zu tun. „Lass uns ein Spiel spielen“, schlug sie vor.
„Welches denn?“ Roberta legte ihre Sachen sorgfältig zusammen. In dieser Hinsicht war sie viel ordentlicher als Annie.
„Ein neues Spiel. Das haben wir noch nie gespielt.“
„Okay. Wie heißt es denn?“
„Was wäre wenn.“
„Ach so, das haben wir früher im Kindergarten immer gespielt.“
„Machst du trotzdem mit?“
„Na gut.“
Annie holte tief Luft. „Also, dann fange ich an.“ Ihr Herz schlug heftig, und sie spürte ihre Halsschlagader pulsieren. „Was wäre, wenn du herausfinden würdest, dass ein Wunder geschehen ist und dein Daddy nicht bei der Explosion getötet wurde?“
„Dann wäre ich einfach nur glücklich.“
„Ich weiß. Aber was, wenn die Explosion absichtlich von bösen Menschen herbeigeführt wurde?“
Roberta hielt inne. „Du meinst, sie wollten ihn töten.“
„Ja.“
„Aber er hätte überlebt, oder? Also würde vielleicht auch weiter alles gut gehen.“
Oh Roberta …
„Was, wenn es zehn Jahre gedauert hätte, bis er mich wissen lassen
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