Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
die größten Landbesitzer im weiten Umkreis zu sein?
Er lebte allein, hatte er gesagt. Sie hätte ihn gern gefragt, was er seiner Familie über sie erzählt hatte. Vielleicht gar nichts. Warum war sein Bruder gestern weggefahren, bevor sie die Gelegenheit hatte, ihn kennenzulernen? Schützte Dario sie oder seinen Bruder? War sie am Ende so unbedeutend, dass es nicht die Mühe lohnte, sie vorzustellen? Sieh zu, dass sie verkauft, hatten sie wohl gesagt. Wir wollen sie nicht sehen. Gib uns Bescheid, wenn der Vertrag unterzeichnet ist, dann können wir feiern .
Isabel blieb stehen, um ein gut erhaltenes Wandmosaik zu betrachten, das Delfine zeigte, die neben einer Vase und einer zentralen Rosette angeordnet waren.
„Selbst die Römer liebten Delfine“, murmelte sie.
„Warum auch nicht? Sie sind intelligent, akrobatisch, und es scheint, als mögen sie die Menschen. Wenn Sie mit der Fähre übersetzen, werden Sie in der Straße von Messina Delfine sehen können.“
Isabel versteifte sich. „Wieso nehmen Sie an, dass ich abreise? Das werde ich nicht tun. Ich bleibe.“ Was musste sie eigentlich tun, um ihm zu beweisen, dass sie felsenfest entschlossen war? Und warum musste sie das eigentlich tun?
„Wollen wir gehen?“, fragte er, ohne ihre Frage zu beantworten. Vielleicht spürte er ihre Frustration. Vielleicht genoss er es sogar, sie zu provozieren und ihre Reaktion zu sehen. Womöglich setzte er darauf, dass sie irgendwann zu erschöpft war, um zu kämpfen. Da täuschte er sich. Ihr Herz war verhärtet und ihre Willenskraft intakt. Darin hatte sie jahrelange Übung.
Selbst als sie an die Küste kamen, wo die weißen Sandstrände traumhaft mit dem klaren blauen Meer kontrastierten, geriet sie nicht eine Minute ins Schwanken. Direkt oberhalb des Strands besichtigten sie ein Cottage, das zum Verkauf angeboten wurde. Vom Balkon aus hatte man einen schönen Blick in den Garten, und die Aussicht von der Steinveranda war einfach atemberaubend.
In der Luft lag der Duft von Lilien und Wildkräutern. Der Unterschied zu ihrem eigenen heruntergekommenen Haus hätte größer nicht sein können, und das wusste er. In ein solches Haus hier konnte man einziehen und würde sich niemals Gedanken um ein Loch im Dach machen müssen. Sie stellte sich reife aromatische Flaschentomaten vor, die im sonnigen Garten wachsen würden, in der Küche würde eine Sauce mit köstlichen Kräutern auf dem Herd simmern. Einen Augenblick lang spürte sie eine heftige Sehnsucht nach diesem Leben und allem, was dazugehörte.
Es gab einmal eine Zeit, da hatte sie sich Liebe gewünscht, aber das war vorbei. Es war verrückt, sich eine Familie zu wünschen, mit der sie ihr Leben teilen konnte. Sie hatte es versucht, und es hatte nicht funktioniert. Jedes Mal, wenn sie als Kind das Gefühl gehabt hatte, die richtige Familie gefunden zu haben, war sie weggeschickt worden. Als sie erwachsen war und sich in einen Mann verliebte, glaubte sie, ihr Leben würde eine Wendung nehmen. Ihr Fehler. Den sie nicht noch einmal begehen würde. Sie war wieder auf sich selbst gestellt und würde es immer bleiben. Jetzt mehr denn je.
„Wieviel kostet es?“
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Sagen wir es so: Es käme gut hin.“
„Aber wie würde ich meinen Lebensunterhalt verdienen?“
Darauf hatte er keine Antwort. Sie wusste, was er dachte. Dass sie vom Weinanbau gewiss auch nicht leben konnte. Doch sie würde es ihm zeigen. Sie würde Wein keltern und ihn verkaufen, und wenn es das Letzte war, was sie in ihrem Leben tat.
Stattdessen schaute er auf seine Armbanduhr, offensichtlich ein Schweizer Sammlerstück mit verschiedenen Zifferblättern, durch die hindurch man die feine Präzisionsmechanik sehen konnte. Wie typisch für ihn, eine Uhr zu tragen, die zu seinem Auto passte – teuer, luxuriös und technisch mit allen Finessen ausgestattet. Er hatte niemals in seinem Leben erfahren, was bedeutete, Geld zu brauchen. Bis auf die eine Panne, als die Familie gezwungen war, ihrem Onkel das Weingut zu verkaufen. Bislang hatte Isabel noch nicht verstanden, wie es dazu gekommen war. Was war wirklich passiert?
„Zeit fürs Mittagessen“, sagte er und verbarg meisterhaft seine Enttäuschung – wenn er denn enttäuscht war – über ihre Reaktion. „Sie sehen hungrig aus.“ Falls er glaubte, dass ein Lunch in einem teuren Restaurant sie umstimmen würde, war er falsch gewickelt. Was nicht hieß, dass sie nicht hungrig war und fasziniert, als er eine
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