Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
vergriffen zu haben. Aber wenigstens war er freundlich, was man von dem Rest der Mannschaft nicht behaupten konnte. Die Männer schauten alle so mürrisch und finster drein, dass man glauben mochte, sie hätten gerade ihren besten Freund zu Grabe getragen.
Wenn sie wenigstens mit ihnen hätte reden können. Doch jedes Mal, wenn sie ihre italienischen Brocken ausprobierte, sahen sie sie verständnislos an. Aber auch ohne eine gemeinsame Sprache verstand sie, dass der alte Anhänger, den sie in der Scheune gefunden hatten, einen platten Reifen hatte, und ohne den Anhänger konnten sie die gepflückten Trauben nicht aus dem Weinberg fahren.
Die Männer drückten ihr den Reifen in die Hand und erwarteten offensichtlich, dass sie ihn reparierte. Oder reparieren ließ. Glücklicherweise hatte sie zugeschaut, als Dario ihren Reifen wechselte. Im Schuppen fand sie einen alten Ersatzreifen, dann nahm sie das Werkzeug aus ihrem Kofferraum. Einen der Arbeiter stellte sie kurzerhand an, damit er ihr half, den Reifen zu halten, und ersetzte den platten Reifen.
Womöglich bildete sie es sich ein, aber sie hatte das Gefühl, dass die Arbeiter ein bisschen beeindruckt waren. Doch das war ihr egal. Für sie zählte nur, dass sie es allein geschafft hatte. Sie empfand noch einen gewissen Stolz, während sie schon wieder im Auto saß, um ins Städtchen zu fahren. Sie brauchten Diesel.
Das Triumphgefühl hielt nicht lange an. Ein Blick in den Rückspiegel verriet ihr, dass die Männer froh waren über die mangelnde Arbeit. Einige standen in ihrer Auffahrt herum, andere lehnten sich an Bäume, manche lagen entspannt auf dem Boden, als ob sie bereits einen langen Tag hinter sich hätten.
An der kleinen Tankstelle orderte sie eine Propangasflasche und einen Kanister Diesel. Sie ging ungeduldig auf und ab, während sie wartete, und blieb überrascht sehen, als Dario in seinem Kabrio vorfuhr.
„Läuft alles gut?“, begrüßte er sie.
„Danke“, antwortete sie knapp. Niemals Ängstlichkeit zeigen. Immer Zuversicht ausstrahlen. Verlass dich nur auf dich selbst. Die Lektionen hatte sie längst gelernt. „Bis auf ein paar kleine Pannen.“
„Und welche?“
„Oh, zum Beispiel platte Reifen.“
„Und?“
„Ich habe den Ersatzreifen gefunden und ihn ausgewechselt.“ Sie verkniff sich ein kleines Lächeln, als sie sah, dass er überrascht die Brauen hob. Das hatte er ihr nicht zugetraut. „Ich habe Ihnen zugeschaut. Erinnern Sie sich?“
„Gut. Sie lernen schnell.“
Sie blinzelte. War das ein Kompliment?
„Sind die Männer alle gekommen?“
„Ja, aber sie haben nichts zu tun, während ich hier die Besorgungen mache.“
„Nichts zu tun? Wie wäre es mit Trauben pflücken und sie in die Körbe legen?“
Sie biss die Zähne aufeinander. Warum hatte sie nicht daran gedacht? Weil sie nicht wusste, dass Körbe da waren. Sie hatte vielleicht einen Reifen gewechselt, aber es gab viel mehr zu tun. Viel, viel mehr.
„Ja, natürlich“, sagte sie. „Das machen sie ja jetzt auch.“ Sie glaubte nicht, dass die Männer irgendetwas taten, aber das wollte sie Dario nicht sagen. Sie wollte nicht, dass er glaubte, es gäbe auch nur ein Problem auf dieser Welt, dass sie nicht allein lösen konnte.
„Ich fahre vorbei und sehe nach, was los ist“, bot er an.
„Sie brauchen nicht extra rauszufahren. Ich habe alles unter Kontrolle.“ Er sollte sich nicht so verhalten, als hätte er das Recht, ihren Job zu übernehmen. Es war ihr Weingut, und wenn sie Hilfe brauchte, würde sie sie von jemand anders bekommen. Von einem Menschen, der nichts zu gewinnen hatte, wenn sie versagte. „Ich fahre jetzt zur Bank und dann direkt zurück in die Berge“, fügte sie hinzu.
„Sie waren also noch nicht dort?“
„Doch. Aber es war noch nicht geöffnet.“
Er schüttelte den Kopf, so als könnte er nicht glauben, dass sie zu doof war, um die Öffnungszeiten einer Provinzbank in einem fremden Land zu kennen. Sie hätte ihn zu gern in Amerika gesehen, ohne Sprachkenntnisse, wie er eine Mannschaft anheuerte, in ein baufälliges Haus zog und ein neues Geschäft gründete. Was für ein befriedigendes Szenario … schon eine kleine Delle in seiner Selbstsicherheit, die fast an Arroganz grenzte, würde ihr Befinden deutlich verbessern. Nur zu wissen, dass sie nicht die Einzige war, die Fehler machte.
„Wenn Sie schon in der Stadt sind, wäre es vielleicht äußerst ratsam, mit der Elektrizitätsgesellschaft zu verhandeln. Das heißt, wenn Sie
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