Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
also, ich … gern. Danken Sie ihr bitte für die Einladung.“
Sie schenkte sich Wein ein und goss auch ihm nach. Plötzlich war sie die Gastgeberin geworden. Vor einigen Minuten hätte er noch geschworen, dass sie nichts lieber wollte, als ihn loszuwerden. Was sie wahrscheinlich immer noch wollte, aber nun war sie höflich.
„Sie erwähnten, die Geschichte, wie Sie die Azienda verloren haben, sei lang“, sagte sie jetzt. „Was ist passiert?“
5. KAPITEL
Isabel ahnte schon, dass er ihre Frage nicht gern beantwortete, egal wie viel Wein er getrunken haben würde. Aber irgendetwas war passiert, und da sie als Nachbarn miteinander leben würden, wollte sie es wissen. Sie hielt den Atem an und wartete, während er einen Schluck trank.
Schließlich setzte er das Glas wieder ab. „Es ist keine besonders interessante Geschichte. Aber wenn Sie sie hören wollen, bitte. Vor zwei Jahren war ich mit einer Frau verlobt. Es war – wie soll ich sagen – wie ein Wirbelwind in meinem Leben. Wir reisten von einem Ende der Insel zum anderen. Magdalena war Miss Sizilien und hatte Repräsentationspflichten auf vielen Veranstaltungen. Ich muss gestehen, dass ich über dem Vergnügen meine Arbeit vergaß. Ich vernachlässigte die Weinstöcke in einem Moment, als sie am meisten meine Aufmerksamkeit gebraucht hätten – während der Trockenperiode. Die geschwächten Pflanzen erlitten dann noch einen Pilzbefall.“
Plötzlich hielt er inne. „Ich rede zu viel. Suche nach Entschuldigungen für mich selbst. Versuche zu erklären, wo es nichts zu erklären oder zu entschuldigen gibt. Der Rest der Familie arbeitete rund um die Uhr und versuchte die Ernte zu retten, nur ich war unterwegs und vergnügte mich. Das Resultat war ein Fiasko. Eine Schande. Die Arbeiter waren nicht bezahlt worden, und wir mussten schnell Geld auftreiben. Also haben wir die Azienda an Ihren Onkel verkauft. Im Nachhinein kann ich mir mein Handeln nicht erklären, aber ich werde alles tun, dass so etwas nie wieder vorkommen wird.“ Er sagte dies mit solchem Nachdruck, dass sie keinen Zweifel an seiner Aufrichtigkeit hegte.
Abrupt stand er auf und schaute auf sie hinunter. „Da haben Sie es. Ich habe zu viel geredet und Sie wahrscheinlich gelangweilt. Jetzt muss ich gehen. Es ist spät, und Sie haben einen harten Tag vor sich.“
„Ich freue mich darauf“, antwortete Isabel, während ihr tausend Fragen durch den Kopf gingen. Was meinte er damit, dass so etwas nie wieder vorkommen würde? Den Verkauf des Landes oder die Verlobung? Was war mit der Schönheitskönigin Magdalena geschehen? Wo war sie jetzt? Wer von beiden hatte die Verlobung gelöst?
Sie platzte fast vor Neugierde, doch er hatte ihr wahrscheinlich schon weit mehr erzählt, als er vorgehabt hatte. Also sagte sie: „Mein erster Tag in meinem neuen Leben als Winzerin. Und übrigens, sollten Sie jemals Lust verspüren, in meinem Teich zu schwimmen, Sie sind herzlich eingeladen. Es gibt nämlich keine Wasserschlangen auf Sizilien.“
„Ist das so?“ In seinen Augen blitzte etwas auf, das man als Anerkennung für ihr Wissen über die Flora und Fauna deuten konnte. „Dann viel Glück morgen.“ Er schaute an, als ob er etwas sagen oder tun wollte, also wartete sie. Und wartete. Die Spannung wuchs. Ihre Wangen brannten. Die Zimmertemperatur musste um zehn Grad gestiegen sein. Sein Blick hielt den ihren fest, und sie konnte ihm nicht ausweichen. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, dass er etwas Unbedachtes tun würde, wie zum Beispiel sie zu küssen. Völlig lächerlich. Er mochte sie noch nicht einmal. Nach einer Ewigkeit, wie es ihr schien, straffte er sich und wandte sich zum Gehen.
„Danke fürs Abendessen“, sagte er beinahe schroff, bevor er die Tür öffnete. Dann war er gegangen.
Isabel schloss die Tür hinter ihm. Was war los mit ihm? Was war mit ihr los, dass sie sich eingebildet hatte, er würde sie küssen? Vielleicht war es in Sizilien üblich, dass man die Gastgeberin zum Abschied küsste? Ein Kuss hätte absolut nichts bedeutet. Aber er hatte es nicht gemacht. Sie war nicht enttäuscht. Sie war erleichtert. Oder doch nicht?
Am nächsten Tag konnte sie alles Glück gebrauchen, das sie abbekam, viel war das leider nicht. Als Erstes ging sie zur Bank, die noch nicht geöffnet hatte, also fuhr sie sofort zur Azienda. Dort traf sie den Vorarbeiter, der gerade aus dem Weinkeller die Treppen hinaufstieg, sodass sie ihn insgeheim verdächtigte, sich an ihrer Weinsammlung
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