Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
indem er ihnen Isabel als die neue Besitzerin der Azienda vorstellte – sollte jemand die Neuigkeit noch nicht gehört haben. Dann nahm er am Tisch, der im Freien unter einem Baum gedeckt war, gegenüber von Isabel Platz.
Die Blicke, die über den Tisch flogen, waren eindeutig. Alle hatten von ihr gehört, und nun wollte jeder sie mit eigenen Augen betrachten. Es hatten sich zwischen fünfzehn und zwanzig Leute eingefunden, und Isabel fiel es schwer, sich zu merken, wer Maria war und wer Anna, welches Mädchen Francesca hieß und welches Angela.
Alle sprachen in schnellem Italienisch durcheinander, während eine Angestellte Schalen mit einer leichten Cremesuppe servierte. Isabel probierte nur ein wenig und war überzeugt, im Himmel angekommen zu sein.
„Mögen Sie die Suppe?“, fragte Dario von der anderen Seite des Tisches.
„Sie ist wundervoll. Was ist das?“
„ Maccu , eine sizilianische Spezialität. Sie wird aus unseren selbst gezogenen Bohnen gemacht. Großmutter wollte ein ganz besonderes Essen für Sie zubereiten.“
„Sagen Sie ihr bitte, wie sehr ich mich freue. Ich bin so dankbar, bei Ihrem Familienessen dabei sein zu dürfen. Im Hotel zu essen, ist doch etwas ganz anderes.“
„Obwohl das Essen im Cairolo nicht schlecht ist“, meinte Dario zu Isabel. „Ihr Kalbfleisch in Madeira ist nachgerade ausgezeichnet. Und es gibt sogar Zimmerservice.“
Der wissende Blick, mit dem er sie bedachte, verriet ihr, dass er das intime Abendessen auf ihrem Zimmer nicht vergessen hatte. Auch nicht die Tatsache, dass er sie nicht geküsst hatte. Sie hoffte, dass seine Familie jetzt nicht glaubte, sie habe ihn zu diesem Dinner für Zwei eingeladen. Irgendwie erweckte er auf beunruhigende Weise den Anschein, als könnte er einfach durch ihre Kleider hindurch bis in ihre Seele schauen.
Sie fröstelte in der warmen Luft und konzentrierte sich auf die Suppe, die vor ihr stand. Hatte irgendjemand diese beiläufigen Flirtversuche von ihm bemerkt? Oder verstand sie alles falsch, und dies war kein Flirten in sizilianischer Manier, sondern, es war … etwas anderes. Oder erwarteten die anderen dieses Verhalten von ihm?
„Nonna hat uns erzählt, dass Sie ihr gestern geholfen haben. Ich fürchte, die Einkaufsmöglichkeiten hier sind recht beschränkt.“, warf Angela jetzt ein.
„Überhaupt nicht. Ich habe herrlichen Schinken und wunderbaren Käse gekauft. Und die Früchte und das Gemüse, die wir heute zum Lunch hatten, waren köstlich“, fügte sie an Dario gewandt hinzu.
Seine Schwestern tauschten Blicke aus. Vielleicht hätte sie nichts über ihr gemeinsames Mittagessen sagen sollen. Wahrscheinlich kamen sie jetzt auf den abwegigen Gedanken, dass sie und ihr Bruder viel Zeit miteinander verbrachten. Es geht nur ums Geschäft, hätte sie am liebsten gesagt. Doch tat es das wirklich?
„Ich meine, weil meine Küche noch nicht eingerichtet ist, hat Dario mir etwas zu essen vorbeigebracht. Ich glaube nicht, dass ich ohne das Picknick den Tag überstanden hätte“, erklärte sie ein wenig stammelnd und spürte, dass ihre Wangen heiß wurden, während sie versuchte, das gemeinsame Mittagessen herunterzuspielen.
„Mögen Sie die Azienda?“, fragte seine Schwester Caterina höflich.
„Sehr. Man muss viel Arbeit reinstecken, aber das Gut hat Potenzial.“
Wieder wurden vielsagende Blicke rund um den Tisch getauscht. Was hatten sie erwartet? Eine verwöhnte Erbin, die so entmutigt war, dass sie auf dem Absatz umdrehte und nach Amerika zurückflog?
Dario sagte nichts, sondern nahm sich eine tüchtige Portion von der Caponata , einer klassischen Mischung aus Auberginen, Kapern und Oliven, die nach der Suppe serviert worden war.
Seine Großmutter schaute in der Runde umher. Ihre Familie war ungewöhnlich ruhig. „Ist alles in Ordnung?“
„Es schmeckt köstlich“, versicherte Dario ihr. Er stand auf und schenkte allen am Tisch aus einer Karaffe Wein nach. „Isabel ist sehr an Geschichte interessiert. Und Sizilien ist der perfekte Ort, um die Vergangenheit zu studieren, da wir seit sechstausend Jahren von praktisch jedem kolonialisiert wurden, der übers Mittelmeer gesegelt kam. Ich habe ihr die Ruinen von Casale gezeigt, da wir ohnehin in der Nähe waren.“
„Ich dachte, du seiest zu beschäftigt für Rundfahrten“, sagte sein Bruder Cosmo vom anderen Ende des Tisches. „Nun verstehen wir endlich den Grund, warum du auf einmal in deinem engen Terminkalender für jemanden Zeit findest, allerdings
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