Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
nicht für deine liebe Familie.“ Er warf einen bewundernden Blick in Isabels Richtung.
Dario, der inzwischen wieder auf seinem Platz saß, goss sich vorsichtig etwas von dem fruchtigen Olivenöl in eine kleine Schale. „Aber niemals zu beschäftigt, um einem Fremden unser Land zu zeigen.“
Als sie aufschaute, bemerkte Isabel, dass Dario sie ansah. Seine blauen Augen waren tief und unergründlich wie das Meer. Falls er versuchte, ihr eine Botschaft zu senden, hatte sie keine Ahnung, welche. Alles, was sie wusste, war, dass sein intensiver Blick ein Prickeln auf ihren Armen und ein seltsames, leeres Gefühl in ihrem Kopf verursachte, so als ob ihr Gehirn ohne sie in die Ferien gefahren wäre. Sie konnte nicht klar denken. Sich kaum konzentrieren. Sie war froh, dass alle Erwachsenen Englisch sprachen, denn es war schon schwer genug, in ihrer eigenen Sprache möglichst das Richtige zu sagen.
Nach dem Hauptgang, zu dem knusprig gebratene Rotbarben, dazu Rosmarinkartoffeln und Paprikagemüse gereicht wurden, begannen die Kinder, unruhig zu werden. Allmählich war es in dem Innenhof und im Garten vollends dunkel geworden. Als die Kleinen endlich aufstehen durften, zogen sie Dario von seinem Stuhl hoch. „Die Kinder wollen die neue Flutlichtanlage auf dem Tennisplatz ausprobieren.“ Er drehte sich zu Isabel um. „Spielen Sie?“
„Nicht sehr gut.“
„Dann bekommen Sie von uns eine Unterrichtsstunde“, sagte er. „Kommen Sie doch mit.“
Im Gänsemarsch gingen sie durch den Garten, vorbei an einem kleinen Olivenhain und einem Swimmingpool mit Unterwasserbeleuchtung. Schließlich erreichten sie den angestrahlten Tenniscourt, von hoch aufragenden Zypressen umstanden.
Einer der Jungen reichte Isabel einen Schläger.
„Er will dein Partner sein“, erklärte Dario. „Alle wollen sie das.“
„Besser, Sie sagen ihnen, dass ich nicht besonders gut spiele.“
„Das ist ihnen egal. Mein Neffe sagt, dass Sie hübsch sind. Und ich bin mir sicher, dass Sie das schon öfter gehört haben.“
Sie hoffte, dass er in der Dunkelheit nicht sehen konnte, wie sie errötete. „Noch häufiger höre ich, dass ich stur bin.“
„Das überrascht mich nicht. Sind Sie deshalb noch nie verheiratet gewesen?“
„Nein“, sagte sie und schlug den ersten Ball auf den Boden.
„Ich glaube, diese Diskussion hatten wir schon. Vielleicht will ich einfach lieber allein leben, genauso wie Sie. Und zu Ihrer Information: Ich war verlobt, aber es ging schief. Warum sind Sie so an meinem Privatleben interessiert?“
„Die meisten sizilianischen Frauen Ihres Alters sind verheiratet.“
„Die Amerika heiraten die Frauen spät und manchmal gar nicht. Frauen können tun und lassen, was sie wollen. Allein oder mit einem Partner leben. Heirat gehört nicht unbedingt zum Glück dazu.“ Wenn ich das wirklich glaube, warum habe ich dann diesen fürchterlichen Fehler gemacht und mich auf eine überstürzte Verlobung eingelassen ? „Vielleicht hängen Sie einem etwas traditionelleren Verständnis von Heirat und Familie an?“
„Ich nicht. Ich weiß, dass die Dinge nicht immer funktionieren. Aber meine Schwestern sind alle glücklich verheiratet und haben Kinder, und zweifellos wird Cosmo auch eines Tages seine Frau finden. Also bleibe ich übrig.“
„Sie meinen, Sie haben den Gedanken zu heiraten ganz aufgegeben?“
„Eine Hochzeit steht nicht in meinen Sternen. Heute haben Sie Familienleben in Bestform gesehen. Kein Zank, keine Streitereien. Alle waren entspannt und haben den Abend genossen. Wir sind gute Gastgeber, und Sie ein guter Gast. Wir haben versucht, Ihnen zu zeigen, wie herrlich das Familienleben auf Sizilien sein kann. Und das kann es in der Tat. Doch wenn die Verwandten zu persönlich werden, kann es auf die Nerven gehen. ‚Gib nicht auf, Dario‘, so hört sich das dann beispielsweise an. ‚Denk an das Benvolio-Mädchen, sie sucht einen Ehemann. Und was ist mit Maria Del Popolo? Oder Angelina Spano oder …‘ Was ich meine: In unserer kleinen Welt ist jeder in das Leben des anderen verstrickt, ob er nun möchte oder nicht.“
„Für jemanden, der gar keine Familie hat, klingt das nicht so schlecht.“
Isabel war erleichtert, als sie das Thema Heirat und Familie beendeten, und das Tennisspiel begann. Zuerst gab es aber noch einige Wortwechsel darüber, wer auf welcher Seite spielen sollte. Dario wiederholte noch einmal für Isabel, dass alle Kinder mit ihr in einem Team sein wollten.
„Ich dachte, Sie seien
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