Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
allein, seit ich achtzehn Jahre alt bin. Keine neue Situation also. Mit der Ausnahme, dass ich jetzt ein Haus für mich habe. Ich weiß, es ist in einem schlechten Zustand, aber ich habe vor, eine gründliche Renovierung durchzuführen. Viel Arbeit“, sagte sie lächelnd. „Aber zuerst kommt natürlich die Ernte.“
„Herzlich willkommen im Kreis der sizilianischen Winzer“, sagten alle im Chor und hoben lachend in einem spontanen Toast ihre Kaffeetassen.
Isabel fühlte eine Welle der Dankbarkeit. Diese Frauen kannten sie kaum und hießen sie trotzdem mit so großer Herzlichkeit willkommen, dass sie einen Kloß im Hals hinunterschlucken musste.
„Ich war mir unsicher, wie Sie meine Erbschaft einschätzen würden, schließlich ist es einmal Ihr Land gewesen. Ich wusste also nicht, was ich heute Abend zu erwarten hatte. Ich bin eine Außenseiterin. Mein Onkel hat nicht sehr viel auf seinem Land getan. Sie hätten guten Grund, sich darüber zu beklagen, dass ich hier einfach so reinplatze …“
„Hat Dario Ihnen das erzählt?“, fragte Lucia, die die Hände in die Hüften gestemmt und die Stirn in Falten gelegt hatte.
„Nun ja …“
„Wir haben Ihrem Onkel das Land verkauft, und jetzt gehört es Ihnen“, sagte Francesca. „Es steht Ihnen zu. Dario mag da anderer Ansicht sein …“
„Wegen allem, was passiert ist“, warf Maria ein. „Er hat sein Herz an diese … schreckliche Frau verloren! Und sie …“
„Lass uns nicht von ihr sprechen“, unterbrach Francesca sie und verzog den Mund. „Für uns ist sie tot. Dario hat sein Herz verloren, ja, und das Land ebenso. Na und? Es ist vorbei. Niemand beschuldigt ihn. Schließlich ist er Sizilianer. Wir verlieben uns, geben alles, und wenn es ein Fehler war, dann war es eben so! Er wird darüber hinwegkommen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann.“
Lucia wandte sich an ihre Schwestern und verkündete: „Dario hat Isabel zum Mittagessen ins Palazzo mitgenommen. Dorthin hat er immer Magdalena mitgenommen. Das ist ein gutes Zeichen. Vielleicht kommt er wirklich über sie hinweg. Zudem hat er Isabel heute hierhergebracht.“ Ihre Schwestern nickten einmütig.
„Ich glaube, es war die Idee Ihrer Großmutter“, sagte Isabel.
„Das ist egal. Ich habe das Gefühl, dass Sie ihm guttun“, sagte Lucia mit einem Lächeln. „Er konnte eine Ablenkung gut gebrauchen. Was ist mit Ihnen? Sind Sie zu Hause in den USA mit jemandem verlobt?“
„Ich war es, aber … es hat nicht funktioniert. Es funktioniert nie, wenn der Mensch, mit dem man verlobt ist, bereits mit jemand anderem verheiratet ist. Als ich am Tiefpunkt angelangt war und eine Veränderung in meinem Leben brauchte, habe ich den Brief des Anwalts bekommen.“
Lucia klatschte in die Hände. „Ein Wunder!“, rief sie.
Isabel strahlte. „Genau.“
„Dario kann Sie bei allen Problemen unterstützen“, warf Francesca ein. „Er kennt sich mit Amarado-Wein wirklich gut aus.“
„Er hat mir schon weit mehr geholfen, als ich erwarten durfte“, sagte Isabel. „Vor allem, wenn ich seine Gefühle für die Azienda bedenke.“
„Er leidet nicht an dem Verlust der Azienda“, erklärte Maria. „Sondern an dem, was Magdalena ihm angetan hat.“ Sie schaute Isabel mit einem hoffnungsvollen Lächeln an. „Vielleicht können Sie ihm helfen zu vergessen.
Isabel brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass das sehr unwahrscheinlich sei. Sie befand sich nicht in der Position, jemandem zu helfen, zu vergessen. Sie war fremd und allein in diesem Land und litt noch immer an den frischen Wunden ihres Selbstbetrugs. Sie war der letzte Mensch, der einem anderen helfen konnte.
Sie war gerade dabei, sich zu verabschieden und allen für einen angenehmen, unvergesslichen Abend zu danken, als Lucia die Zeremonie der Segnung der Trauben erwähnte.
„Ihre erste Ernte auf der Azienda. Sie müssen sie segnen lassen.“
„Wir sprechen mit Pater Guiseppi.“
Draußen auf der Terrasse sprach Dario mit seinen Brüdern und Schwägern. Als Isabel auftauchte, verstummten die Gespräche. Die Männer traten auf sie zu, um ihr entweder die Hand zu schütteln oder sie auf die Wangen zu küssen.
„Was für einen Eindruck haben Sie von ihnen?“, fragte Dario, als sie ins Auto einstiegen. „Sie können mit ihrer Art einschüchternd sein.“
„Sie sind sehr nett. Wirklich sehr nett. Ich wusste überhaupt nicht, was mich erwartet, doch sie sind wundervoll. Warmherziger und freundlicher hätte der
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