Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
sich als riesiger, unüberwindlicher Berg vor ihr auftürmte. Nacht für Nacht hielten Gedanken und Befürchtungen sie wach. Doch in einer Nacht war es etwas anderes als ihre Sorgen, das sie wach hielt. Draußen fand ein merkwürdiger Lärm statt: ein tiefes Grummeln und Grunzen. Schließlich sprang sie aus dem Bett und trat zum offenen Fenster, von dem aus sie die Weinstöcke sehen konnte.
Mit ihrer starken Taschenlampe leuchtete sie in die Dunkelheit hinein, und da waren sie! Beim Anblick der großen braunen Tiere mit den kurzen Beinen und den schweren Köpfen, die quer durch ihren Weinberg stapften, fuhr sie auf und stieß sich den Kopf am Fensterrahmen.
Ihr Instinkt riet ihr, das Fenster zu schließen, zurück ins Bett zu kriechen und die Weinreben der Zerstörung zu überlassen. Wie sollte sie auch allein einer Horde wilder Eindringlinge Einhalt gebieten? Da gingen sie hin, ihre zukünftigen Weine. Sie hatte kein Gewehr, keine Männer, nicht die geringste Möglichkeit, die Biester zu verjagen.
„Haut ab!“, schrie sie vom Fenster aus. „Weg mit euch! Zieht Leine! Das sind meine Rebstöcke!“ Ihre Stimme zitterte. Die finstere Nacht verschlang ihr Rufen.
Über dem Lärmen der Tiere hörte sie auf einmal ein Motorengeräusch. Ein paar Minuten später blendete sie der Strahl einer Taschenlampe, die vom Hof unten auf sie gerichtet wurde. Sie blinzelte und sah Dario, der nach oben schaute. Eine Schrotflinte hing über seiner Schulter. Noch nie im Leben hatte sie sich so erleichtert gefühlt.
„Was tust du denn hier?“, rief sie hinunter, als ob sie das nicht genau wüsste.
„Ich habe gehört, die Wildschweine wären heute Nacht unterwegs. Da dachte ich, ich schaue vorbei und verjage sie.“
„Ich bin gleich unten.“
Barfuß rannte sie die schmale Stiege hinunter und weiter in den Weinberg. Sie traf Dario an der ersten Rebenreihe.
Sie war so froh, ihn zu sehen, dass sie sich zwingen musste, sich nicht an seine Brust zu werfen, um in seinen Armen zu liegen. Er war so groß, so stark und Vertrauen einflößend. Er machte den Eindruck, als könne er mit jedem Notfall fertig werden.
„Lass uns gehen“, sagte er und ging voraus. Isabel fühlte sich wie auf einer Safari, als sie ihm auf dem schmalen Pfad folgte. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Ihr Mund war trocken. Es war beängstigend und aufregend zugleich. Dario schoss eine Schrotsalve auf die Eindringlinge, die Tiere stoben in alle Richtungen, doch andere traten dafür aus dem Dunkel hervor.
Dario erklärte ihr, dass die Kugeln zwar vom borstigen Fell der Tiere abprallten, sie aber trotzdem schmerzten. Je mehr er schoss, desto schneller rannten die Wildschweine weg. Nach einer sehr langen Stunde waren endlich alle verschwunden, und der Weinberg lag wieder auf unheimliche Weise ruhig da. Es war vorbei. Isabels Knie und Hände zitterten, obwohl sie nichts getan hatte, außer zu schauen und sich an die Wildschweine heranzupirschen.
„Ich hoffe, das passiert nicht jede Nacht“, sagt sie mit dünner Stimme. „Vielen Dank. Du hast mich gerettet. Vielleicht haben sie nicht so furchtbar viel Schaden angerichtet.“ Es war noch zu dunkel, um zu sehen, wie viele Weinstöcke entwurzelt worden waren.
„Ich denke, wir haben sie rechtzeitig gestört.“ „Er hatte wir gesagt, obwohl sie nur nutzlos hinter ihm gestanden hatte. „Ich brauche auch so ein Gewehr“, sagte sie „Und ich muss lernen zu schießen.“
„Heute nicht mehr“, antwortete er und betrachtete auf einmal eingehend ihr Nachthemd. Isabel errötete leicht. Sie hatte fast vergessen, dass sie ein langes baumwollenes Nachthemd trug.
Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne kamen gerade über die Hügelkuppe. Impulsiv griff sie nach seinen Armen, zog Dario näher zu sich heran und küsste ihn. Ihre Küsse waren gefärbt von Erleichterung und Dankbarkeit und von etwas anderem, das sie nicht benennen wollte.
Er zog sie fester an sich, sodass ihr Körper eng gegen seinen gepresst wurde. Gefühle wallten in ihr auf, doch sie erinnerte sich selbst daran, dass sie bestimmt nicht dabei war, sich in ihn zu verlieben. Das war keine Liebe. Es war Lust. Begehren. Alles Mögliche, aber nicht Liebe. Niemals wieder würde sie einen Mann lieben. Was hier gerade passierte, war gar nicht so schwierig zu verstehen: Zum ersten Mal seit einem Jahr hatte sie wieder Spaß. Sie wollte keine ernsthafte Beziehung, genauso wenig wie er. Eine Affäre. Eine Affäre, an die man sich erinnern konnte, wenn der
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