Küsse im Mondschein
entglitten war. Er konnte ja noch nicht einmal sagen, was genau das eigentlich war, das sich dort zwischen ihnen ereignet hatte. Vor allem konnte er überhaupt nicht begreifen, warum alles so plötzlich und so schnell wieder zu Ende war.
Warum Amanda von ihm fortgelaufen war.
Und doch war es so: Sie war vor ihm davongerannt. Und auch ihr darauffolgendes Verhalten hatte Martin ihre Haltung ihm gegenüber nur noch mehr verdeutlicht. Sie wollte ihn nicht mehr sehen.
Nun denn… Die Zähne fest zusammengebissen, flanierte Martin über die Rasenflächen und umkreiste die Damen und Herren der vornehmen Welt. Seine eigenen Worte hallten ihm noch im Hinterkopf wider - wie hatte er sie doch alle verspottet. Rasch schob er diese Erinnerung wieder beiseite.
Doch sein Spott war keine kluge Entscheidung gewesen; nichts von alledem, was sich in der letzten Zeit ereignet hatte, war klug gewesen. Martin hatte das Gefühl, als ob er gerade erst etwas unschätzbar Wertvolles gefunden hätte, als ob er gerade eben erst entdeckt hätte, dass eine solche Sache überhaupt existierte. Und dann hatte Amanda ihm dies alles wieder fortgenommen, hatte ihn sämtlicher Chancen beraubt, jemals wieder dazuzugehören. Und hatte ihn auch noch ihrer selbst beraubt.
Die Zähne noch ein wenig fester aufeinander gebissen, hielt Martin unter einem Baum inne und wartete, dass der Zorn in seinem Inneren wieder nachließe, zumindest so weit, dass er weiterflanieren könnte. Im Übrigen war sein Plan ein sehr einfacher. Wenn er Amanda irgendwo entdecken könnte, wenn er sie lange genug beobachten könnte, um sich davon zu überzeugen, dass sie glücklich und zufrieden war, dass sie erleichtert wäre, dass die Affäre mit ihm wieder beendet war, dann würde er ihre Zurückweisung akzeptieren.
Denn dann bliebe ihm wohl auch gar keine Alternative. Falls er sich in seiner Einschätzung von ihr also wirklich getäuscht haben sollte, wenn er sich nur selbst davon überzeugen könnte, dass ihr einfach nur der Sinn nach einer riskanten kleinen Affäre gestanden hatte - einfach nur so, aus Abenteuerlust -, dann würde es ihm wesentlich leichter fallen, die Dinge so hinzunehmen, wie sie nun einmal waren.
Martin trat wieder unter den Bäumen hervor und setzte seine Suche fort. Bald würde die Ballsaison ihre Hauptphase erreichen. Es war also ein so dichtes Gedränge im Park, dass es Martin keine große Mühe kostete, sich zwischen den Promenierenden zu verstecken. Andererseits aber waren an diesem Nachmittag auch wiederum noch nicht so viele Menschen auf den Beinen, dass er Amanda nicht mehr würde ausfindig machen können. Es war ein sonniger Tag, und eine sanfte Brise flirtete mit Bändern und Locken.
Dann endlich entdeckte er sie.
Sie spazierte neben einem anderen Mädchen her, das wohl ihre Zwillingsschwester sein musste. Anders konnte es nicht sein, denn wenn man die beiden so sah, waren sie einander wirklich zu ähnlich, um nicht miteinander verwandt zu sein. Und dennoch hatte jede von ihnen so ihre ganz persönlichen Eigenheiten. In ihrer Begleitung war auch Reggie Carmarthen. Amanda schlenderte mit aufgespanntem Sonnenschirm in der Mitte des Trios; ihr Gesicht lag im Schatten.
Martin glitt ebenfalls in die Schatten eines ganz in der Nähe stehenden Baumes. Amandas Schwester und Carmarthen unterhielten sich ganz ungezwungen miteinander, lachten und gestikulierten. Und wann immer sie sich Amanda zuwandten, setzte auch diese sofort ein strahlendes Lächeln auf, nickte mit geradezu überschäumendem Charme und erschien sogar noch ein wenig lebhafter als ihre Schwester. Amanda warf dann ein oder zwei Worte in die Unterhaltung ein - und verharrte schließlich wieder in Schweigen. Und wenn die beiden anderen schließlich wieder die Führung des Gesprächs übernahmen, senkte Amanda den Blick auf den Boden.
In diesem Moment verblasste auch ihr scheinbar so sprühendes Temperament wieder, und ihr Gesicht nahm einen geradezu gehetzten Ausdruck an, wirkte reserviert, während sie still weiterging, bis man abermals das Wort an sie richtete.
Drei Mal sah Martin sich diese Wandlung an, bis schließlich auch Amandas Schwester deren merkwürdiges Verhalten auffiel und sie den Arm durch Amandas Armbeuge schob. Die beiden goldgelockten Schöpfe neigten sich kurz einander zu, während Reggie eifrig nickte, seine Aufmerksamkeit ganz auf Amanda gerichtet.
Sie versuchten, Amanda wieder aufzumuntern. Schließlich deutete Reggie auf eine Gruppe, die ein Stückchen vor
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