Küsse im Mondschein
ihnen ging. Auch Amanda blickte auf, schüttelte dann aber bloß den Kopf. Bis sich eine rege Unterhaltung zwischen den dreien zu entwickeln schien und Amanda am Ende auf eine leere Bank deutete, die unter einem der Bäume stand. Die anderen beiden diskutierten noch ein Weilchen hin und her, doch Amanda setzte sich am Ende durch. Mit einer leichten Handbewegung bedeutete sie den beiden, dass sie zu der Gruppe aufschließen sollten, die sie vor kurzem entdeckt hatten, während sie selbst, Amanda, zu der leeren Bank hinüberging und sich setzte.
Sie benutzte ihren Sonnenschirm wie einen Schutzschild, hinter dem sie Zuflucht suchte - nicht vor der Sonne, sondern vor neugierigen Blicken. Sie wollte einen Moment der Ruhe genießen, und dieser Augenblick war günstig. Das Letzte, was Amanda sich jetzt wünschte, war, dass sich ihr auch nur irgendjemand näherte. Besonders Percival Lytton-Smythe, den sie zuvor bereits kurz gesehen hatte, sollte ihr besser vom Leibe bleiben.
Sie brauchte etwas Muße, um nachdenken zu können. Und davon gönnte ihr die Ballsaison zurzeit nur herzlich wenig. Die abendliche Runde der zu besuchenden Bälle wurde immer anstrengender, immer mehr Veranstaltungen an einem einzigen Abend standen an, sodass Amanda zunehmend weniger Zeit für sich selbst fand. Zu wenig Zeit, um sich mit den immer quälender werdenden Gedanken zu beschäftigen, die sich in ihren Kopf schlichen.
Was, wenn sie sich geirrt hatte? Was, wenn Martin eben doch nicht so sehr an ihr interessiert war, dass er ihr nun nachlaufen würde? Was, wenn er jenen bewussten Moment nicht genauso erlebt hatte wie sie, wenn er den Augenblick nicht als jenen verheißungsvollen Ausblick in die Zukunft verstanden hatte, als den Amanda ihn sah? Was, wenn...? Was, wenn...?
Die Fragen, die auf Amanda einstürmten, schienen zahllos und allesamt nicht zu beantworten. Entschlossen konzentrierte sie sich also allein auf das, von dem sie glaubte, dass sie es mit Sicherheit wüsste. Sie richtete ihren Blick also nur auf jene Dinge, die ihr - zumindest nach ihrer Wahrnehmung und nach dem, was ihre Instinkte ihr verrieten - Fakten zu sein schienen.
Und zu diesen Fakten gehörte unter anderem die Tatsache, dass Martin der richtige Mann für sie war. Nach all den Jahren des Suchens war sie sich dessen nun absolut sicher. Sie spürte es tief in ihrem Herzen, tief in ihrer Seele. Und sie wusste auch, dass sie die richtige Frau für ihn war. Es war geradezu lachhaft, sich vorzustellen, wie eine andere Frau, eine Frau, die nicht das Durchsetzungsvermögen von Amanda besaß, sich mit Martin arrangieren sollte - denn so tyrannisch, wie Martin war, würde er die doch schlichtweg unterbuttern. Und dennoch...
Amanda weigerte sich strikt, Martins Antrag anzunehmen, solange er mit diesem Antrag nur irgendwelche gesellschaftlichen Vorgaben erfüllen wollte. Es hatte ihr vor Entgeisterung geradezu den Atem verschlagen, als er ihr erklärt hatte, dass er sie würde heiraten müssen . Sie hatte ihren Ohren nicht trauen wollen. Dann aber hatte sie begriffen, dass das, was sie soeben gehört hatte, wahr war. Und doch konnte sie nicht glauben, dass er nicht doch noch mehr für sie empfinden sollte. Vielleicht hatte er diese gesellschaftliche Regel, die es angeblich zu erfüllen galt, bloß benutzt, um seine wahren Motive vor ihr zu verbergen. Amandas Cousins jedenfalls wären mit Sicherheit so verfahren, wenn sich ihnen die Chance böte. Oder war ihm die Tatsache, dass er durchaus noch mehr als bloße Begierde für sie empfand, etwa noch gar nicht so recht ins Bewusstsein gerückt? Wer wusste schon, was in Männerhirnen vor sich ging?
Die Gedanken von Männern waren doch stets ein Rätsel. Nur dass Amanda dieses Rätsel in diesem Fall unbedingt lösen wollte, sonst würde sie keine Ruhe mehr finden. Sie musste herausbekommen, was Martin wirklich dachte.
Wie also sollte sie sich am besten verhalten, wie sollte ihr nächster Schachzug in ihrem Spiel aussehen? Immer vorausgesetzt natürlich, dass ihr Spiel nicht schon längst beendet wäre, und er sich nicht einfach mit einem Schulterzucken von ihr abgewendet und sie bereits vergessen hätte.
Diese Vorstellung schien ihr sämtliche Kraft zu rauben, dann aber verwarf die den Gedanken rasch wieder und erinnerte sich daran, dass das für einen Löwen ein ganz und gar untypisches Verhalten wäre. Löwen waren besitzergreifend - und in diesem Verhalten waren sie auch noch geradezu fanatisch.
Und da diese Dinge nun einmal
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