Küsse im Mondschein
Ihr Ziel jedoch war nicht das Parktor, sondern jener abgeschiedene Reitweg, den sie und Martin schon zuvor für ein ungestörtes Gespräch genutzt hatten. Martin erkannte die versöhnliche Geste; dennoch glaubte er nicht, dass Amanda nun endlich bereit wäre, Vernunft anzunehmen. Er dirigierte seinen Rotschimmel hinter ihrer Stute her und konzentrierte sich ganz darauf, wie er ihr seine Sichtweise der Dinge nun am eindringlichsten verdeutlichen könnte.
Tief auf dem zwischen Bäumen und Buschwerk versteckten Pfad, vollkommen abgeschirmt von sämtlichen neugierigen Blicken und dem Rest der Welt, zog Amanda die Zügel an. Aufmerksam blickte sie zu Martin hinüber, während dieser neben sie ritt und fragend eine Braue hob.
Fest schaute er ihr in die Augen, hielt ihren Blick geradezu gefangen. »Wir müssen heiraten.«
Amanda hob ihre zart geschwungenen Brauen. »Warum?«
Martin bemühte sich, die Ruhe zu bewahren und nicht gleich schon wieder in Zorn auszubrechen. »Weil wir intim miteinander waren. Weil du eine Dame von gewissem Rang und Ansehen bist, eine, die einem bedeutenden Haus entstammt. Und ganz sicher pflegt man in diesem Hause nicht die Gewohnheit, derlei Angelegenheiten einfach mit einem nachsichtigen laisser-faire abzutun. Im Übrigen stamme auch ich aus einem Hause von Rang und Namen und denke in dieser Hinsicht durchaus nicht anders als deine Familie. Außerdem erwartet es die Gesellschaft ganz einfach so. Brauchst du etwa noch mehr Gründe?«
Unbeirrt erwiderte Amanda seinen Blick. »Ja.«
Das Ja war bedingungslos und durch nichts zu erschüttern. Unnachgiebige Entschlossenheit blitzte in ihren blauen Augen auf, fester Wille ließ ihr Kinn ein wenig vortreten. Martin erkannte die Zeichen sehr wohl, konnte sich aber beim besten Willen nicht erklären, was bloß die Ursache für diesen Starrsinn sein mochte.
Wütend schaute er sie an, öffnete den Mund -
Ein leichtes Kopfschütteln genügte, um ihn in Schweigen verharren zu lassen. »Nur du und ich wissen, dass wir intim miteinander waren - du brauchst dir also keinerlei Gedanken darüber zu machen, dass du eventuell meinen Ruf ruiniert hättest.« Sie hielt seinem Blick Stand. »Und falls du es schon wieder vergessen haben solltest: Alles, was ich getan habe, geschah aus meinem eigenen, freien Willen.«
Zu Martins nicht enden wollender Verwunderung hatte er genau das aber durchaus schon wieder vergessen - zumindest konnte er sich nicht mehr an genügend erinnern, um sich in seinem Urteil über die Situation wirklich sicher zu sein. »Nun denn, wie auch immer, in jedem Fall ist es in unseren Kreisen so üblich, dass -«
Amanda lachte hell auf und ließ ihre Stute wieder in einen langsamen Schritt fallen. »Du hast ›unsere Kreise‹ schon vor langer Zeit aus deinem Leben verbannt. Da kannst du jetzt doch nicht plötzlich so tun, als wenn deren Vorgaben dir noch immer am Herzen lägen.«
Martin trieb seinen Rotschimmel hinter Amanda her und stieß zischend zwischen fest zusammengebissenen Zähnen hervor: »Meine Einstellung zu diesen Kreisen spielt in diesem Fall überhaupt keine Rolle, denn du hast diese Sphäre noch lange nicht verlassen - und darum haben deren Regeln durchaus Geltung für dich. Dein Leben - oder besser gesagt, das Leben, das du führen solltest - unterliegt also ganz zweifellos den Regeln der Gesellschaft.«
Amanda blickte ihn an. Trotz ihres scheinbar unbekümmerten Lächelns waren ihre Augen aufmerksam und ernst.
Martin erwiderte ihren Blick und spürte dabei ganz genau, wie eisern sein eigener Gesichtsausdruck in diesem Moment erscheinen musste, wie hart seine Züge waren. »Und mal abgesehen von alledem werde ich es auch nicht zulassen, dass man mich noch einmal als den Mann brandmarkt, der nicht das Richtige getan hat.«
Amanda riss die Augen weit auf, dann wandte sie den Blick ab. »Aha - der alte Skandal mal wieder. Daran hatte ich natürlich nicht gedacht.«
»Dabei gibt es da doch durchaus so manche Parallele.«
»Nur, dass du damals überhaupt keine Schuld an der ganzen Sache hattest - und was die Angelegenheit betrifft, über die wir uns jetzt gerade unterhalten, so kann ich dir versichern, dass ich nicht im Traum daran denke, mir das Leben zu nehmen.«
Sie verkniff sich die Bemerkung, dass sie außerdem auch nicht schwanger sei. Denn das konnte sie im Augenblick noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Und auch Martin würde wissen, dass der Zeitpunkt zu einer klaren Aussage darüber noch nicht gekommen war. Zudem
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