Küsse im Mondschein
zu. Würde Martin ihr nachsetzen, würde er ihr sogar in die Kreise der gehobenen Gesellschaft folgen? Und falls dem so sein sollte: Wie lange würde es dauern -
Ein fast schon stählern harter Arm schloss sich jäh um ihre Taille; eine feste Hand legte sich über ihre Lippen. Binnen eines einzigen Herzschlages wurde Amanda einfach emporgehoben und hinweggezerrt. Durch die Spitzenvorhänge hindurch, über das Sims der hohen Fenster hinweg und hinaus auf die dahinterliegende Terrasse.
Als ihr Entführer sie endlich wieder auf die Füße stellte und sie losließ, wirbelte sie herum, um zu sehen, wer der Unbekannte war - obwohl sie dies im Grunde längst wusste. Dennoch verschlug es ihr den Atem, und sie riss die Augen weit auf.
Und er war wahrlich ein höchst erquicklicher Anblick für ihre müden Augen. Sicher, sie hatte ihn auch zuvor schon im Abendanzug gesehen, jedoch nicht in einem Salon, nicht auf einer vom Mondlicht beschienenen Terrasse. Das strenge Schwarz und Weiß in Kombination mit dem silbrig hellen Licht des Mondes hob die Kontraste, die sich in seiner Person vereinigten, nur noch deutlicher hervor. Die Härte seiner Züge - jene Härte, die ein ganz wesentlicher Teil von ihm war -, und die Kraft, die er ausstrahlte, was beides auf eine gewisse Unerbittlichkeit schließen ließ, hoben sich gegen das goldbraune Feuer seiner in elegante Wellen gelegten Locken ab, gegen die unter schweren Lidern hervorblickenden Augen und den eindeutig sinnlichen Schnitt seiner Lippen.
Das alles nahm Amanda mit einem einzigen Blick in sich auf. Dann hob sie die Arme und lockte ihn mit einem gekrümmten Finger. »Komm, tanz mit mir.«
Nur einen Wimpernschlag später hatte er sie auch schon in seine Arme geschlossen und begann, sich langsam im Takt der Musik zu drehen, die durch die geöffneten Fenster zu ihnen hinausdrang. Er hielt sie wesentlich dichter an sich gezogen, als Percival es getan hatte - wesentlich besitzergreifender. Die Hand in ihrem Rücken glitt langsam hinab, glitt unter ihre Taille und brannte sich geradezu durch die feine Seide ihres Abendkleides. Während sie sich bedächtig immer weiter drehten, spürte Amanda eindringlich die nur mühsam im Zaum gehaltene Kraft, mit der er sie führte. Sie wusste, während sie in seine von Schatten verdunkelten Augen blickte, dass er deutlich stärker war, deutlich dominanter, als Percival jemals sein könnte.
Am Ende der Terrasse vollführte Martin mit Amanda eine elegante Drehung, wobei er sie noch enger an sich zog. Ihr Körper streifte den seinen. Doch statt sich nun schüchtern zu verkrampfen, trat sie sogar noch näher auf ihn zu, überließ ihren Körper der Musik und gab sich ganz seiner Umarmung hin.
Er hielt sie so leicht, so dicht an sich gezogen, und doch so wunderbar entspannt. Amanda senkte die Lider, lehnte ihre Schläfe gegen seine Schulter und erlaubte ihm, sie wieder zurückzuführen, in Richtung des Ballsaales.
»Ich hatte dich hier heute Abend gar nicht erwartet«, murmelte sie leise, als sie das Ende der Terrasse erreicht hatten und die Musik verhallte.
»Tatsächlich nicht?« Martin blieb stehen, machte allerdings keinerlei Anstalten, sie aus seiner Umarmung entlassen zu wollen.
Sein Tonfall ließ sie aufhorchen, sie hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. »Nein. Ich hatte zwar gehofft, dass du hier heute Abend erscheinen würdest, aber ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dich hier zu sehen.«
Martin sah ihr die Augen, erkannte nichts als schlichte Ehrlichkeit darin und staunte im Stillen. Hatte sie denn wirklich überhaupt keine Ahnung von ihrer Anziehungskraft - der geradezu magnetischen Macht -, die sie auf ihn ausübte? Nun, da er sie endlich wieder in den Armen halten durfte, wurde ihm mit einem Mal überdeutlich bewusst, dass er sie nicht mehr - niemals mehr - loslassen wollte.
Er hatte sich innerlich darauf vorbereitet, in den Ballsaal zu marschieren und sie dann zu sich nach draußen zu führen. Dann aber hatte er sie durch die Fenster entdeckt, hatte sie im Geiste zu sich gerufen und hatte sein Glück beinahe nicht fassen können, als sie seinem Ruf zu folgen schien.
Amanda sah aufmerksam in sein Gesicht, sah in seine Augen - und kniff die ihren misstrauisch zusammen. »Sag mal, weiß deine Gastgeberin eigentlich, dass du hier bist?«
Er schenkte ihr ein knappes Lächeln und sah sie entschlossen an. »Nein.« Dann neigte er den Kopf zu ihr hinab. »Niemand weiß, dass ich hier bin... außer dir.«
Damit schloss er
Weitere Kostenlose Bücher