Küsse im Mondschein
früh geplant.«
Gegen Ende des Tanzes wollte Amanda gerade mit Richard zu dessen Ehefrau hinüberschlendern, war aber plötzlich regelrecht umlagert von einigen anderen Bekannten, sodass sie stehen blieb, um rasch ein paar Worte mit ihnen zu wechseln. Und kurz darauf ertönten dann auch schon die ersten Klänge des nächsten Walzers.
Amanda wandte sich um und stellte fest, dass Martin bereits neben ihr wartete. Er hob eine Braue. »Ich denke, das hier ist dann ja wohl endlich mal mein Tanz.«
Es schien eine Art Warnung in seinen mit dunkler Stimme geflüsterten Worten zu liegen, und nichts erinnerte mehr an das gelassene Murmeln, mit dem er seinen strengen Bemerkungen normalerweise etwas von ihrer Schärfe zu nehmen pflegte. Amanda neigte also den Kopf, reichte ihm die Hand und erlaubte ihm dann mit hoheitsvoller Geste, sie zur Tanzfläche zu geleiten; erlaubte ihm, sie in die Arme zu schließen und in die ersten Drehungen zu führen.
Die Orchideen, die auch weiterhin täglich bei Amanda ankamen - ein kleines Bouquet aus drei weißen Blüten - lagen auf seiner Schulter und hoben sich fast schon strahlend hell von dem Schwarz seines Anzugs ab. Nachdenklich betrachtete Amanda die Blumen. Dann hob sie den Blick zu seinem Gesicht empor.
Ganz offen sah Amanda ihm in die Augen. Wie stets waren diese von einem klaren Grün, erinnerten in ihrer jetzigen Tönung allerdings eher an einen Achat als an Moos - und sie blickten sehr hart drein, ganz so, als ob sich dahinter ein wahres Unwetter an Emotionen zusammenbraute.
»Ich bin nicht dein Eigentum.«
Martins Blick nahm an Strenge nur noch zu. » Das hängt ganz von der Sichtweise ab, aus der man das betrachtet.«
»Wie auch immer. Was ich jedenfalls sagen will, ist, dass, selbst wenn wir verheiratet wären...« Amandas Blick schweifte kurz über die Tanzpaare, die sich auf allen Seiten um sie drängten, bis sie schließlich wieder in Martins Gesicht emporsah. »Selbst wenn wir verheiratet wären, würde ich immer noch darauf bestehen, als eigenständige Person angesehen zu werden.«
»Nun ja, mir persönlich wäre es sowieso neu gewesen, wenn wir zwei vom Zeitpunkt unserer Heirat an plötzlich nur noch als ein Mensch gelten würden.« Martins Tonfall war kalt und wie abgehackt. Er spie die Worte regelrecht aus.
Amanda riss die Augen weit auf. »Du meinst, ich könnte die Deine sein und trotzdem noch meine eigenen Entscheidungen fällen? Du willst mir damit also sagen, dass ich auch nach unserer Heirat immer noch ganz allein darüber befinden darf, wie ich mit bestimmten Angelegenheiten umgehe - also zum Beispiel mit Angelegenheiten wie irgendwelchen anonymen Briefchen, die mir zugesteckt werden? Du würdest es also nicht gleich als dein unverbrüchliches Recht ansehen, dich in derlei Dinge ganz nach eigenem Gutdünken einmischen zu dürfen?«
»Es ist mein Recht, dafür zu sorgen, dass du in Sicherheit bist.«
Mit vor Wut funkelnden Augen sah sie ihn an. »Vielleicht. Und selbst wenn - dieses Recht hättest du frühestens von dem Augenblick an, in dem ich deinen Antrag annehme.«
»Ein ›Vielleicht‹ gibt es nicht.«
»In jedem Fall kann ich es unmöglich hinnehmen, dass dieses angebliche ›Recht‹, das du zu besitzen glaubst, so weit gehen soll, dass du mich wie einen hirnlosen Dummkopf vor sämtlichen eventuellen Gefahrenquellen gleich von vornherein komplett abschirmst.«
»Also, ich wäre wahrlich der Letzte, der behaupten würde, dass es dir an Hirn mangeln soll.«
Ihre zornigen Blicke prallten aufeinander. Dann hatten Martin und Amanda das Ende des Saales erreicht; beide wandten den Blick wieder ab, während sie sich durch die engen Drehungen manövrierten. Denn mittlerweile hatten sie begriffen, dass sie sich gerade mitten auf der Tanzfläche einen Streit geliefert hatten, und an neugierigen Augen mangelte es in diesem Moment ganz und gar nicht. Schließlich schwebten sie eleganten Schrittes wieder in die entgegengesetzte Richtung des langen Saales.
»Das Ganze führt doch zu nichts.« An Martins Wange zuckte ein Muskel. Ganz kurz streifte sein Blick Amandas Gesicht. »Und damit meine ich sowohl diese Diskussion gerade eben als auch deine neuesten Winkelzüge.«
Ihre neuesten Winkelzüge? »Was genau meinst du?«
Die Muskeln an seinem Kiefer traten noch deutlicher hervor. »Ich meine damit, dass du genau diese Unabhängigkeit, von der du eben gerade noch gesprochen hast, am besten auch mal anwenden und dich endlich zu einer Entscheidung
Weitere Kostenlose Bücher