Küsse im Mondschein
Aufschrei. »Aber deshalb müssen sie ihm doch nicht auch noch helfen! Er ist doch von sich aus schon schwierig genug!«
Nach einem Moment des Schweigens wollte Amelia wissen: »Und? Wie ist denn nun der aktuelle Stand deines Spiels?«
»Das ist es ja gerade - ich weiß es nicht! Jedes Mal, wenn ich die Sache gründlich zu durchdenken versuche«, erwiderte Amanda und rieb mit einem Finger zwischen ihren Augenbrauen, »tut mir der Kopf weh. Ganz fürchterlich.«
Wieder verstrichen einige Augenblicke des Schweigens, dann fand Amelia unter der Bettdecke die Hand ihrer Schwester, drückte sie flüchtig und setzte sich schließlich in den Kissen auf. »Ich gehe jetzt wieder in mein eigenes Bett zurück. Schlaf mal eine Nacht darüber - morgen früh wirst du die ganze Angelegenheit bestimmt schon sehr viel klarer sehen. Das sagt Mama jedenfalls immer.«
Amanda murmelte ein »Gute Nacht« und horchte noch einen Moment darauf, wie Amelia durch das Zimmer tappte und zur Tür hinausschlüpfte. Dann schloss sie die Augen und zwang sich dazu, den Rat ihrer Schwester zu befolgen.
Das gelang ihr allerdings erst, als bereits der neue Tag heraufdämmerte. Und selbst dann konnte sie keine wirkliche Ruhe finden, sondern schlief äußerst unruhig. Nur ganz vage nahm sie wahr, wie Louise ins Zimmer kam, einen prüfenden Blick auf ihre Tochter warf und erklärte, dass sie an diesem Morgen ausschlafen solle.
Einige Zeit später erschien ihre Mutter abermals an ihrem Bett. Louise lächelte, dann setzte sie sich auf die Bettkante und strich Amanda die zerzausten Locken aus der Stirn. »Es ist nicht leicht, nicht wahr?«
Amanda runzelte die Stirn. »Nein. Ich hatte gedacht, dass es das wäre, aber...«
Louises Lächeln nahm einen leicht bitteren Zug an. »Das ist es nie. Aber«, sie erhob sich wieder, »es lohnt sich, beharrlich zu bleiben, nicht aufzugeben. Am Ende wirst du sehen, dass es das wert war. So, und nun möchte ich, dass du den Rest des Morgens über schläfst. Amelia und ich werden jetzt erst einmal zu Lady Hatchams Morgentee gehen, und danach schauen wir wieder bei dir herein und sehen, ob du dich inzwischen wohl genug fühlst, um zu Lady Cardigans Lunch mitzukommen.«
Mit einem letzten liebevollen Lächeln verließ Louise das Zimmer wieder. Amanda betrachtete die Tür, als diese hinter Louise ins Schloss fiel, und dachte daran, wie verständnisvoll und hilfreich ihre Mutter gewesen war, wie viel näher sie sich ihr jetzt fühlte. Und nicht nur Louise, sondern auch all ihren Tanten, den Ehefrauen ihrer Cousins. So als ob sie, Amanda, so etwas wie eine Reifeprüfung absolviert hätte, eine Art Übergangsritus. Als ob sie durch die Tatsache, dass sie nun vor einer Hürde stand, vor der alle Frauen in ihrer Familie schon einmal in ihrem Leben gestanden hatten - einer Hürde, die sie letztlich alle überwunden hatten -, einen tieferen Einblick gewonnen hätte, ein umfassenderes Verständnis. Für eine ganze Vielzahl von Dingen.
Für Dinge wie das Leben, die Liebe und die Familie. Die Erkenntnis, was wirklich dazugehörte, um den Wunschtraum einer Frau - den Wunschtraum jeder Frau - Wirklichkeit werden zu lassen. Für die Tatsache, dass sie sich im Grunde alle das Gleiche erträumten, dass diese Träume sich auch im Laufe der Jahrhunderte nicht verändert hatten. Die Männer, um die es ging, die jeweiligen Umstände und Lebensverhältnisse mochten zwar ganz unterschiedlich sein, doch die Sehnsucht der Frauen blieb immer die gleiche. Immer war es die gleiche einzigartige, aufrichtige Empfindung, die aus ihrem tiefsten Innersten entsprang.
Mit einem Seufzer rollte Amanda sich auf den Rücken und starrte blicklos in den Betthimmel hinauf. Entgegen Amelias Hoffnung sah sie die ganze Angelegenheit an diesem Morgen zwar noch keineswegs klarer, aber zumindest fühlte sie sich nicht mehr ganz so überwältigt.
Die Kernfrage, um die sich alles drehte, stand noch immer unbeantwortet im Raum. Angenommen, Martin liebte sie - aber war er sich seiner Liebe zu ihr auch bewusst? Bekannte er sich zu seinen Gefühlen? Und wenn dem so war, war es dann wirklich unbedingt notwendig, dass er ihr seine Liebe mit Worten gestand, dass sie ihn die drei entscheidenden Worte laut und deutlich aussprechen hörte? Oder würde es nicht auch genügen, wenn er seine Gefühle für sie auf andere Art und Weise zum Ausdruck brachte?
Aber was, wenn sie da etwas falsch verstand? Wenn sie ihn ohne jede verbale Erklärung akzeptierte und dann später
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