Küsse im Mondschein
seinen Armen regelrecht dahinschmolz, festigte sie die Bande zwischen ihnen nur noch mehr.
Es gab für sie also wirklich keinen Grund mehr, sich noch länger zu weigern, seinen Antrag anzunehmen. Jedenfalls keinen wie auch immer gearteten logischen Grund. Sicherlich, nach wie vor gab es da eine gewisse Wankelmütigkeit an ihr - aber andererseits war sie doch keine unvernünftige Frau. Ihr Widerstand hatte am vergangenen Abend merklich nachgelassen; sie war nahe daran gewesen, endgültig schwach zu werden - um ein Haar hätte sie Ja gesagt. Heute, da war Martin sich ziemlich sicher, würde sie es tun.
Wenn ihr Vater zu Hause gewesen wäre, hätte er diesen vielleicht um Rat fragen können, doch Arthur wurde erst in einigen Tagen wieder zurückerwartet. In der Zwischenzeit hatte er auch Louise und Amandas Tanten kennen gelernt - aber er war nicht so dumm, sich ausgerechnet von ihnen Hilfe zu erhoffen, besonders in dieser speziellen Sache nicht. Vielleicht würden sie ihm ja beistehen, wenn er um Gnade flehte - aber ihm dabei helfen, Amandas Forderung zu umgehen? Nie und nimmer. Und das bedeutete, dass er vollkommen auf sich allein gestellt war, als er die Stufen zum Haus Nummer zwölf hinaufstieg. Der Butler öffnete die Tür.
»Ich möchte zu Miss Amanda Cynster.« Martin überreichte dem Mann seine Karte.
Der Butler warf einen kurzen Blick darauf. »Bedaure sehr, doch ich fürchte, Ihr habt sie verpasst, Mylord. Aber sie hat eine Nachricht für Euch hinterlassen.«
»Verpasst?«
»In der Tat. Sie ist kurz nach dem Lunch abgereist, völlig unerwartet.« Der Butler hielt die Tür auf, und Martin betrat die Halle. »Mr. Carmarthen ist mit ihr gefahren. Ich bin mir sicher, dass ich Euren Namen auf einem der Briefe hier gesehen habe …« Rasch blätterte der Butler einen Stapel Einladungen durch. »Ah, ja, da ist er ja! Ich wusste doch, dass ich mich nicht geirrt hatte. Aber warum Ihre Ladyschaft ihn hier deponiert hat …«
In seiner Ungeduld riss Martin dem Butler das Briefchen geradezu aus den Fingern. »Dexter « stand auf der Vorderseite geschrieben. Nicht gewillt, nachzudenken und womöglich voreilige Schlüsse zu ziehen, bog er die ordentlich gefalteten Ecken auseinander und strich das einzelne Blatt Papier glatt.
Er überflog die Zeilen. Begriff schlagartig.
Und hatte plötzlich das Gefühl, als ob ihm das Blut in den Adern gefröre.
Bitte verzeih mir. Ich konnte dir nicht die Antwort geben, die du erwartest. Ich habe Schritte unternommen, um mich an einen Ort zu begeben, wo ich für dich nicht erreichbar bin, aber sobald ich kann, werde ich wieder nach London zurückkehren, und dann wirst du deine Antwort bekommen.
Die Botschaft war mit einem schwungvollen »A.« unterzeichnet.
Martin zerknüllte die Nachricht in seiner Faust. Für einen langen Augenblick starrte er schweigend durch die Halle, ohne etwas wahrzunehmen. Ihm war zumute, als ob die Welt urplötzlich stehen geblieben wäre, und mit ihr sein Herz. Als er dann schließlich sprach, klang seine Stimme vollkommen tonlos. »Wohin ist sie gefahren?«
»Nun, nach Schottland, Mylord. Hat sie denn nicht gesagt …?«
Martins Miene versteinerte sich. Er stopfte die zusammengeknüllte Nachricht in seine Tasche, machte wortlos auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Haus.
Eine Stunde später trieb er seine Pferde in halsbrecherischem Tempo die Great North Road entlang und verfluchte dabei alles und jeden, der es wagte, ihm in die Quere zu kommen. Verfluchte die Minuten - selbst wenn es nur einige wenige waren -, die er damit vergeudet hatte, eine kurze Nachricht an Devil zu schreiben, um diesem mitzuteilen, was geschehen war.
Um ihm mitzuteilen, dass er Amanda zurückbringen würde.
Am heftigsten und inbrünstigsten aber verfluchte Martin sich selbst. Weil er nicht die entscheidenden Worte gesagt hatte, die Amanda so unbedingt hören wollte; weil er nicht den Mut gehabt hatte, die Wahrheit zu gestehen und mit der Vergangenheit ein für alle Mal reinen Tisch zu machen. Am vergangenen Abend hatte er die ideale Gelegenheit dazu gehabt, aber er hatte sich dagegen gesträubt, hatte feige den Schwanz eingekniffen und lieber den leichtesten Ausweg gewählt. Hatte stur darauf beharrt, dass Amanda diejenige sein sollte, die sich beugte, die sich darein fügte, nur so viel zu bekommen, wie er zu geben bereit war. Er hatte die Chance gehabt, sich ihr zu öffnen, ihr sein Herz auszuschütten; stattdessen jedoch hatte er es vorgezogen, sich weiterhin
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