Küsse im Mondschein
Allie zu. »Wir wissen natürlich nicht, wie es um Eure momentanen Verpflichtungen bestellt ist, aber wir wären Euch außerordentlich dankbar, wenn Ihr es irgendwie einrichten könntet, wieder auf Euren alten Posten hier im Haus zurückzukehren.«
»Hmm! Ja, na ja, wenn nur er« - Allie wies mit einer Kinnbewegung auf Colly - »noch hier ist, um im Haus nach dem Rechten zu sehen, dann kann ich mir schon lebhaft vorstellen, in was für’nem Zustand hier alles sein muss.«
»Wir haben angefangen, ein paar der Räume aufzuschließen, aber... nun ja, da ich nicht weiß, wie all diese Dinge hier früher gehandhabt wurden...«
»Überlasst das getrost mir.« Nachdem sämtliche mitgebrachten Lebensmittel ordnungsgemäß verstaut waren, löste Allie die Bindebänder ihrer Haube, legte Haube und Hut auf dem Büfett ab und begann, sich ihres Mantels zu entledigen. »Ich hab’ne Nachricht an Martha Miggs geschickt - sie wird morgen hier sein, und dann werden wir das Haus in null Komma nichts wieder in Ordnung gebracht haben.«
Die Entschlossenheit, die in diesen Worten mitschwang, ließ klar erkennen, dass Allie sich durch nichts und niemanden aufhalten lassen würde. Amanda fühlte, wie ihr der sprichwörtliche Stein vom Herzen fiel, wie die Erleichterung gleich einer Woge durch ihre Adern strömte. »Übrigens, wir haben oben einen verletzten Gentleman. Er wurde von einem Straßenräuber angeschossen, und mein Kutscher hier ebenfalls.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf Onslow, der sich gerade langsam in Richtung Tür zu verdrücken versuchte.
»Ach, du großer Gott!« Geschäftig zog Allie unter ihren weiten Röcken eine Schürze hervor und band sich diese um ihre stattliche Taille. »Na, dann sollte ich mir wohl am besten gleich als Erstes mal ihre Wunden ansehen.«
»Meine heilt schon recht gut - ich hab jetzt auch keine Zeit mehr, muss dringend nach meinen Pferden sehen.« Mit einem knappen Nicken in Martins und Amandas Richtung entfloh Onslow durch die Hintertür.
»Ich kümmere mich später noch um dich!« rief Allie ihm nach. Dann wandte sie sich zu Amanda um. »Na schön, dann wollen wir mal! Ihr führt mich jetzt am besten erst mal rauf zu diesem Gentleman, und danach sehen wir dann, was wir wegen der Zimmer unternehmen. Colly, ich brauche dich später noch - mach dich also nicht dünne.«
Martin beobachtete, wie Allie Amanda geschäftig vor sich her ins Haus trieb. Colly seufzte vernehmlich, doch er lächelte, als er sich bückte, um das Feuer zu schüren. Martin spürte, wie unwillkürlich auch seine Mundwinkel sich hoben, fühlte, wie ihm innerlich warm wurde, wie Allies Geste einen Ort tief in seinem Innersten berührte, an dem lange, lange Zeit Kälte geherrscht hatte. Er zögerte einen Moment, dann - mit noch breiter werdendem Lächeln- wandte er sich um und ging hinaus, um Onslow zu helfen.
Am nächsten Morgen ging im Haushalt beinahe schon wieder alles seinen normalen Gang. Nur Reggie war noch immer ziemlich schwach. Zuerst hatte er fassungslos dreingeschaut und sich gesträubt, als plötzlich Allie erschienen war, um sich seiner anzunehmen; er hatte Amanda mit verzweifelten Blicken beschworen, sie stumm um Rettung angefleht, doch Allie hatte ihn rasch gebändigt. Er verzehrte das Frühstück, das sie ihm ans Bett brachte, ohne zu murren, und ließ sich dann anstandslos von ihr die Treppe hinunter bugsieren, um draußen in der Sonne in einem Sessel zu dösen.
Nachdem Amanda eine erholsame Nacht in dem Zimmer neben Reggies verbracht hatte, das zuvor gemäß Allies hohen Ansprüchen in puncto Sauberkeit und Ordnung gründlich gelüftet und gesäubert worden war, und dann mit Martin ein gemütliches Frühstück in dem sonnigen kleinen Wohnzimmer eingenommen hatte, machte sie sich - erfrischt und ausgeruht und wieder so eigensinnig und entschlossen wie eh und je - auf die Suche nach Allie, um sich bei der älteren Frau zu bedanken und ihr zur Hand zu gehen. Und es gab wahrhaftig eine Unmenge zu tun. Allie bei der Arbeit zu helfen schien außerdem die schnellste und beste Methode, um alles über die besonderen Erfordernisse des Haushalts zu lernen und sich die Feinheiten einzuprägen.
Amanda fand die ehemalige Amme in Martins Zimmer, wo diese gerade das Bettzeug ausschüttelte, das auf dem riesigen Bett lag. Am Tag zuvor war Allie - nachdem sie Reggie versorgt und dann Ordnung in dem Zimmer geschaffen hatte, das nun Amanda benutzte - schnurstracks den Korridor hinuntermarschiert und hatte die
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